Relektüren
Rainer Metzger Folge 46
Die abendländische Zivilisation tritt also in ihre dunkle Zeit ein, die Völkerwanderungszeit, das finstere Mittelalter. Das heißt aber beileibe nicht, dass nun die Quellen versiegten, im Gegenteil, sie sprudeln wie ein Wasserfall, doch es fällt schwer, ihrem Gequirle etwas Handfestes zu entnehmen. Es treibt den Historiker, wie er formuliert, „in den Wahnsinn“, wie geschwätzig seine spätantiken Gewährsleute waren, „nicht fähig, einen Spaten einen Spaten zu nennen.“ Doch nimmt sich der Autor, der sich hier an einer monumentalen Darstellung eines scheinbar längst Vergangenen versucht, zusammen, gesteht den alten Texten ihre Eigenartigkeit zu und rettet sich mit einem speziellen Anachronismus in die eigene Gegenwart: „Ein Zeitalter, das mit der Ketten säge bearbeitete Kühe in Konservierungs mittel als Kunst betrachten kann, ist per definitionem außerstande, andere künstlerische Bemühungen nach überzeitlichen Standards zu betrachten.“ (S. 433)
Durch und durch britisch – und damit, bevor das Denken der Insel durch den Brexit ruiniert wurde, von herausragender Qualität – sucht dieses Werk so scheu wie selbstbewusst gerne einmal Nahtstellen zum Heute (der Kollege Robin Lane Fox versetzt seine ebenfalls bei Klett-Cotta auf Deutsch erschienene alte Geschichte mit dem Titel „Die klassische Welt“ gerne mit Parallelbeispielen aus dem, man ahnt es, Gärtnern). Der Seitenhieb auf einen womöglich nicht ultimativ richtig verstandenen Damien Hirst kommt Peter Heather offenbar tief aus der Seele. Als seine Rückblende auf die alten Römer publiziert wurde, lehrte Heather, Jahrgang 1960, in Oxford. Seit 2008 ist er Professor am King’s College in London. Durch und durch britisch ist auch Heathers im Titel…