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Titel: Müllkunst · von Paolo Bianchi · S. 168 - 171
Titel: Müllkunst , 2004

REINER SELIGER
PREKÄRE FORMEN

VON PAOLO BIANCHI

Ein großes Thema der aktuellen Kunst ist die Befragung unseres Verhältnisses zur Natur. Als wahrer und heiler Grünort ist sie den Menschen längst abhanden gekommen. Sie wurde erobert, gebändigt und zivilisiert. Ein Künstler wie Reiner Seliger (geboren 1943 in Löwenberg/Schlesien, lebt in Freiburg im Breisgau) betreibt denn auch immer mehr die Annäherung zwischen Skulptur und Natur. Mit seinen bekannten rotbraunen Ziegelstein-Skulpturen steht er außerhalb einer Ikonologie, in welcher die Natur das Paradies, das Strafgericht oder die arkadische Idylle verkörpert. Er will vielmehr parallel zur Natur arbeiten, um die Natur in ihrer sinnlich-geistigen Totalität selbst zu erfahren und ihr tausendfaches Leben im plastischen Ereignis zu konkretisieren. Abseits seiner “normalen” künstlerischen Produktion ist der Künstler nun in Ettenheim bei Freiburg auf eine Bauschuttdeponie gestoßen, die ihm als “neue Spielwiese” dient. Täglich werden dort von riesigen LKWs Ziegel, Keramik, Beton- und Ytongplatten angeliefert, auf Halden gekippt, und für den Verkauf zu Schotter zermahlen. In diesem Bausteineparadies kann der Künstler nach freiem Willen tun und lassen.

BESESSENSEIN VOM BAUEN

Aus Beton und Ziegeln konstruiert Seliger hier seine “Ein-Tages-Skulpturen”. Es handelt sich hierbei um Architekturereignisse, die spontan entstehen und umstandslos umgesetzt werden. So nimmt auch das Ergebnis von der Schnelligkeit des Aufbaus und der dadurch spürbaren Leichtigkeit nichts weg. Inmitten der ständigen LKW-Bewegungen arbeitend, verzichtet Seliger auf jegliche Fremdmaterialien. Er verwendet nur das, was es vor Ort gerade vorfindet. Ohne technische Hilfsmittel wie Gerüst, Hammer oder Mörtel konstruiert er Kegel, Säulen und Türme. In seiner “konventionellen” Arbeit als Bildhauer und Plastiker erweist…


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