MATTHIAS REICHELT
Reiner Leist – american portraits
Deutsches Historisches Museum
Ausstellungshalle 15.7. – 3.10. 2004
In den letzten Jahren ist das Interesse an Dokumentarfilmen stark gestiegen. Dabei fällt auf, dass auch völlig unbekannte Menschen mit ihren Geschichten und ihrem Alltag im Fokus stehen. Wir machen uns gerne ein Bild vom Leben und Schicksal anderer Menschen, möglichst nah an der Wirklichkeit und frei von Fiktion und Hollywood-Ästhetik. In der Fotografie ist dies schon seit Anfang des letzten Jahrhunderts der Fall. Besonders in den USA, wo bereits Ende des 19. Jahrhunderts Jacob Riis und Lewis W. Hine, die frühen Pioniere der Sozialfotografie, die 1928 gegründete Photo League oder die fotografischen Projekte der Farm Security Administration unter Roosevelts New Deal-Politik in den dreißiger Jahren stattfanden, wurde die Fotografie zu einem Beweismittel im Kampf für eine sozialere Gesetzgebung. In Deutschland setzte sich das Medium erst später durch. Heinrich Zille nutzte sie für seine Milieustudien Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Sinne einer kritischen Waffe der Aufklärung wurde sie zuerst von Fotografen wie Walter Ballhause und Willy Römer nach dem 1. Weltkrieg eingesetzt. Als “Soziologie in Bildern” zur visuellen Typologie der Menschen des 20. Jahrhunderts ist August Sanders Projekt legendär geworden.
Lässt sich ein Land – egal mit welchem Medium – differenziert darstellen? Was zeichnet ein Land aus? Die Landschaft, seine Bevölkerung, seine nationalen Symbole oder die Verfassung mit den Rechten und Pflichten, die sie für Bürger auflistet? Kann man ein Land zufrieden stellend erfassen, ein für allemal klären, worin seine charakteristische Note liegt, oder sind alle derartigen Versuche…