James Hamilton-Paterson
Regenwald im Untergang
Den eigentlichen Dschungel gibt es heute nicht mehr – ein Nachruf
Seit Jahren bereist der englische Schriftsteller James Hamilton-Paterson die Tropen. In einem Gespräch erzählte er einmal, wie sehr ihn der Gedanke ans British Empire in seiner Jugend beflügelte, als er ursprünglich Meeresbiologe werden wollte, dann aber auf Anglistik setzte. Hamilton-Paterson verbrachte ein Jahr auf einer einsamen Pazifik-Insel, die später von einem japanischen Touristikkonzern in ein Edelressort umgestaltet wurde. Er tauchte in den Tiefen des Ozeans, war aber auch immer wieder in den Regenwäldern unterwegs. Mit dem oberflächlichen Untergangskitsch der Ökologiebewegung konnte er nie viel anfangen, ihn bewegt eine tiefere, intimere Liebe zur Natur. Im seinem hier abgedruckten Essay verfasst der Schriftsteller einen sehr persönlichen Abschied vom Regenwald, der als wilde, undurchdringliche Zone verloren gehen wird. Durchaus wehmütig blickt Hamilton-Paterson zurück, er schildert den Urwald als Traum- und Projektionsfläche, die durch die Jahrhunderte immer andere Schattierungen annahm.
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1966, zwei Jahre nach meinem Universitätsabschluss, ging ich zur brasilianischen Botschaft in London und stellte den Antrag für ein Einwanderervisum. Meine kurz zuvor verwitwete Mutter war entsetzt: Warum wollte ein Mann mit einem Oxford-Abschluss und einem Poesie-Preis alles hinschmeißen, um sich in einem fernen Land zu vergraben, das er nicht kannte und dessen Sprache er nicht beherrschte? Ich konnte keine überzeugende Begründung vorbringen. Wie sollte ich meiner Familie und meinen Freunden begreiflich machen, dass ich verlorengehen wollte?
Durch Humboldts Augen
Monate später schrubbte ich die Maschinenraumschotten des Hapag-Lloyd-Frachters «Hilde Mittmann» als Gegenleistung dafür, dass ich von Belém den Amazonas hoch nach Manaus mitgenommen…