Hermann Pfütze
Reconsidering Roma
»Aspects of Roma and Sinti Life in Contemporary Art«
Kunstquartier Bethanien, Berlin, 11.11. – 11.12. 2011
In einer Hinsicht ist es gut, dass Sinti und Roma erst in diesem Jahr, als die letzten, förmlich aufgenommen wurden ins Ensemble anerkannter Opfergruppen der NS-Menschenvernichtung: So sind sie in Europa seit 1989 mehr als Lebende präsent denn als Tote. Anders als Juden, Homosexuelle und Hitler-Attentäter, sind sie aus dem tonangebenden öffentlichen Opfer- und Gedenkdiskurs bislang herausgefallen als nomadische Musikanten, farbige Heiden und diebische Trödler. Zigeuner sind keine ordentliche Kategorie, mit ihnen lässt sich kein Staat machen. Aber sie sind (gewiß zum Missvergnügen von Kulturfaschisten wie Sarrazin) mit über zehn Millionen die größte Minderheit in Europa, meist Kinder und Jugendliche, und können aus Europa nicht „ausgeschafft“ werden, um es mit einem Schweizer Wort zu sagen.
In dieser Ausstellung sind sie sehr lebendig: Zum Beispiel die schöne, fast 80jährige Ceija Stojka, die in dem Film „Unter den Brettern hellgrünes Gras“ von Karin Berger erzählt, wie sie und ihre Mutter das KZ Bergen-Belsen überlebt haben. Oder, in Rosa von Praunheims Film „Die Jungs von Bahnhof Zoo“, fünf heterosexuelle junge Männer aus rumänischen Dörfern, die sich in Berlin für Schwule prostituieren, weil das viel mehr Geld bringt als Straßenmusik. Auch die studentischen Roma-Aktivisten in dem Film „Uglyville“ von Eduard Freudmann und Ivana Marjanovic, die in Belgrad die Propaganda der weiß-orthodoxen „Serbischen Nation“ gegen die angeblich heidnischen, dunklen Nomaden anprangern und gegen die Immobilien-Mafia aus serbischen Kriegsgewinnlern und österreichischen Banken protestieren, die die Roma systematisch aus…