Jutta Schenk-Sorge
Rebecca Horn
Retrospektive
Solomon R. Guggenheim Museum, New York, 25.6. – 1.10.1993
Stedelijk Van Abbe Museum, Eindhoven, November 1993
Hoch unter der Lichtkuppel schwebt ein Konzertflügel, an den Beinen von der Decke baumelnd. In regelmäßigen Intervallen klappt er mit Gedröhn seinen Deckel auf und streckt lustvoll-aggressiv lange, wippende Tast-Zungen heraus. Mit respektloser Geste werden bei diesem “Concert for Anarchy” Ordnung und Werte auf den Kopf gestellt. Rebecca Horns “anarchisches” Piano schlägt ein Grundmotiv ihres Werkes an: vertraute Objekte, leblose Apparate durch eine bedeutungsgeladene Bewegungssequenz aus ihrem begrenztem Dasein zu befreien. Wie in einem Filmclip deuten sich Geschichten an, ja Dramen, deren Inhalt und Ausgang jedoch offenbleiben. Halb spielerisch, halb obsessiv tritt hier die Kraft der Imagination gegen das Banal-Reale an. Es erweist sich dabei als Gewinn, daß die erste Retrospektive der 48jährigen Künstlerin mit einer Auswahl von rund 50 Skulpturen ausgerechnet im Guggenheim Museum startet. Dessen dynamische Spiralarchitektur schafft ein kongeniales Umfeld für ein Werk, das im wörtlichen wie übertragenen Sinn statische Zustände zu überwinden sucht. Unversehens entsteht auch ein Bezug zu Horns zweitem Aktionsfeld, dem Film. Denn die Ausstellung spult sich von der obersten Rampe abwärts in sukzessiven Bildern gleichsam filmisch ab. Darsteller sind Horns mechanisierte Skulpturen, die “menschliche Qualitäten”, sogar “Seelenleben” (Horn) besitzen. So verspritzen “Les Amantes” etwa, zwei mit Tinte bzw. Champagner gefüllte Glastrichter, in einträchtigem “Action painting” ihren Inhalt über die Wand, während sich unter dem Titel “Rooms of Mutual Destruction” zwei kreisende, (emotions)geladene Pistolen belauern. Die Skulpturen entwickeln Eigenleben, tönen, zischen, klacken. Unvermutet schlagen Flügel, flattern…