Doris von Drathen
REBECCA BELMORE
Ein Gespräch
Der Kanadische Pavillon hat zum ersten Mal eine indianische Künstlerin eingeladen – Rebecca Belmore gehört dem Stamm der Anishinabe an und verteidigt mit ihren politisch engagierten Performances und Videos nicht nur die Rechte der Ureinwohner Amerikas, sondern vor allem das Recht darauf, die der Macht gehorchenden Strukturen der Weltgeschichte aufzubrechen. Die Angst vor dem völligen Verlust von Land, Kultur und Sprache, die Angst davor, nach dem Völkermord nun als Identität gemordet zu werden, ist immer wiederkehrendes Thema in ihrer Arbeit. Bekannt wurde die 1960 geborene Künstlerin mit ihrer Performance Creation or Death: We Will Win (1991). Mit wachsender Hast trägt Belmore ein Häufchen Erde mit bloßen Händen eine Treppe hinauf. Von Stufe zu Stufe verliert sie die Erde, in alptraumartiger Vergeblichkeit versucht sie das zu vermeiden. Die Erde zerrinnt ihr zwischen den Händen, bis zur letzten Stufe bleiben nur wenige Krumen. Die Geschichte des Verlusts, die Belmore erzählt, ist nicht nur gebunden an Enteignung, Völkermord und Rassismus, es ist die lange Geschichte vom Verlust einer Kosmologie, vom Verlust einer Weltsicht, vom Verlust der eigenen Instrumente für eine Welterfassung. Belmores Bildsprache ist plastisch und ergreift den Zuschauer unmittelbar. Wenn sie etwa in der Prärie-Stadt Saskatoon mit Eimern voll flüssigem Gips auftritt und die Leerformen von alten Männerjacken ausfüllt, um auf indianische Abwesenheit aufmerksam zu machen (Indian Factory,2000), oder wenn sie in Vancouver die Bürgersteige wäscht, von denen aus Frauen verschleppt worden waren (Vigil,2002). Immer arbeitet sie direkt am Ort der Geschehnisse, entwickelt ihre Performances aus dem…