Renate Puvogel
Realreal – Realsex – Realaids – Realtext
Dreiteiliges Ausstellungsunternehmen plus Publikation in Österreich, Oktober – Dezember 1993
In einer Zeit, in welcher Realität sowohl aus dem Alltag als auch aus der Kunst zunehmend hinter virtuellen Welten verschwindet, andererseits in der Krankheit AIDS an der Grenze zwischen Leben und Tod wieder als besonders bedroht aufflackert und sich dem Bewußtsein eingräbt, scheint das dreiteilige Ausstellungsunternehmen samt Textband als viertem Teil berechtigt und notwendig. Geschickt, die unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Teile bereits im Titel sowohl herauszustellen als auch durch den gemeinsamen Terminus REAL aneinander zu binden: REALREAL – REALSEX – REALAIDS – REALTEXT. Anerkennenswert, wenn auch für den Reisenden mühsam, daß sich drei Institute aus Wien, Graz und Salzburg zusammengetan haben; und nur in der Gesamtheit gewinnt das komplizierte Unternehmen Profil und erhält Gewicht.
Als Einstieg eignet sich wohl am besten die umgreifende, dem Thema zum Trotz eher kopflastige denn sinnliche Ausstellung REALREAL in der Wiener Secession. Sie läuft dem augenblicklichen Kunsttrend weitgehend zuwider, denn sie stellt sich in ihren Beiträgen den Auffassungen entgegen, in denen das Künstlersubjekt wie das Kunstobjekt im sozialen oder medialen Kontext verloren zu gehen droht. Betritt man mit dem Gepäck einer gesellschaftlich orientierten Kunst den lichten, weiten Ausstellungsraum, dann muß man konstatieren, daß die heterogenen Beiträge Schritt für Schritt belegen, wie sich das Künstler-Ich im Spannungsfeld gesellschaftlicher und politischer Anforderungen und Zwänge, diese mit ästhetischen Kategorien aufgreifend, behaupten kann. Obgleich die stille, fast ausschließlich auf Schwarz-Weiß reduzierte Ausstellung chronologisch mit Fotos von Eadweard Muybridge anhebt, beginnt sie eigentlich mit…