Dissonante Perspektiven
Raubkunst / Museum
Hans Ulrich Reck
Welches Maß an Wiederholung erträglich ist, das Thema „Raubkunst“ immer wieder zu verhandeln, sei hier dahingestellt. Es gibt offenkundige Faktoren, die im Selbstverständnis einer Gesellschaft deren Imaginäres anhaltend und zu Recht irritieren. Dazu gehört sicher die Dissonanz zwischen der Vorstellung, hohe, moralisch reine Kultur zu sein, und der Praktik der illegalen Annektierung fremden künstlerischen Gutes, also von Diebstahl und Raub. Beginnen wir mit dem Offensichtlichen, zumindest dem Geläufigen, um dann auf einige verdeckte Aspekte einzugehen.
Einverleibung
Betrachtet man die historischen Verläufe in der Zirkulation von Kunstwerken oder als ähnlich wertvoll betrachteten Dingen, dann lässt sich nur schwer eine friedliche Ökonomie von den Interventionen und Aktionen des Krieges trennen. Diese sind nicht die seltenen Ausnahmen und damit Verletzungen jener. Kriegerische Handlungen gehen regelmäßig einher mit der Suggestivität der Vernichtung des Feindes. Dessen Tötung ist, ebenso regelmäßig, verbunden mit der Annektierung, Unterwerfung, Enteignung bis hin zur Zerstörung der für eine eroberte feindliche Kultur wichtigen Symbole und Güter. Was Elias Canetti in „Masse und Macht“ als imperialen Kannibalismus beschreibt, als Figur des Überlebenden, der die Feinde verschlingt, um sich deren Kräfte einzuverleiben, also noch mächtiger, stärker, gewinnender zu werden, das gilt auch für die Symbole einer jeden Kultur. Und ganz besonders für deren Wichtigstes: die Heiligtümer. Es scheint keine größere Demütigung zu geben, als die Vergewaltigung der Sphäre des Heiligen, seine Schändung, Beschmutzung, Vernichtung. Regelmäßig dienen dem die organisierten Beutezüge, mit der diese Werte annektiert werden. Kunst ist, frei nach, aber in Nähe zu Walter Benjamin, immer ein Synonym für…