Relektüren
Rainer Metzger
Folge 48
„Die Worte, die sich im Angeben malerischer Tatsachen so unglücklich fühlen, würden nur zu gerne an dem Dargestellten, mit welchem ihr eigenes Gebiet beginnt, zu sich selber kommen und beschreiben, was da ist“ (Rainer Maria Rilke, Briefe über Cézanne, Frankfurt 1983, S. 60 /61). Mehr als ein Dutzend Mal hatte sich Rainer Maria Rilke auf den Weg zu den Bildern gemacht, um mit seiner Darstellung dem dort Dargestellten beizukommen. Er hatte im Oktober 1907 dem Pariser Grand Palais sein Stelldichein gegeben und wieder und wieder jene zwei Säle des „ Salon d’automne“ besehen, die dem Gedächtnis Paul Cézannes gewidmet waren – der Alte vom Berg war im Jahr davor verstorben. Nahezu täglich hatte Rilke seiner Frau Clara Rechenschaft über das Gesehene abgelegt, in Briefen, die an ihrer Eignung und Neigung zu einer späteren Publizierung von vornherein keinen Zweifel lassen. Gut zwei Wochen lang müht der Dichter sich ab, um der Piktoralität Cézannes die eigene Verbalität entsprechen zu lassen. Doch bleibt, so muss er nach Ende der Ausstellung erkennen, die Anverwandlung ein Ereignis im Konjunktiv. Die Annäherungsversuche der geschriebenen an die bildliche Sprache sind gescheitert. „Das Sagen“, so Rilke in einer schönen Sentenz, „geht irgendwo draußen vorbei“ (S. 58). Das schlichte Beschreiben dessen, was da ist, hatte allzu hohe Hürden aufgeworfen.
Rilkes Briefe dokumentieren jedenfalls ein Darstellungsproblem. Es mag ihn nicht getröstet haben, jedenfalls schweigen sich seine Briefe darüber aus, dass auch Cézanne ein Darstellungsproblem hatte. Vielfach hört man das Lamento, dass das Bild nicht so mag, wie die Absicht…