Rainer Fetting
Vor zehn Jahren tauschte Rainer Fetting die platte, eingedeichte Landschaft um Wilhelmshaven gegen die ebenso flachen, aber psychologisch offeneren Straßen von Berlin. Dort lebt er immer noch – wenn er nicht in New York lebt.
Verschiedenes zog ihn nach Berlin: Sein Vater war dort geboren; er selbst hatte Berlin mehrmals besucht und hatte Freunde dort. Er wollte an eine Kunstakademie, und er wollte über den Sonderstatus der Berliner Bürger den Wehrdienst umgehen.
Für Fetting, wie für viele junge Leute, die nicht nach den geltenden Normen der Mittelklasse-Wirtschaftswunder-Existenz leben wollen, bedeutete die Berliner Mauer eher Freiheit als Repression. Paradoxerweise verdeckt der Goldkäfigeindruck von Fassadenkosmetik im Stadtzentrum eine Basis, die viel weniger von einem Elfenbeinturm hat als vergleichbare Städte des “Freien Westens”. Vielleicht, weil so viele stark divergierende Verhaltensmuster, Regelsysteme und Erwartungshaltungen in dieser Stadt zusammengeballt konkurrieren. Vielleicht, weil sie immer noch – wenn auch nicht dem Namen nach – eine Hauptstadt ist. Vielleicht, weil sie eine internationale Stadt geworden ist. Vielleicht sind Berlins Minoritäten – weil es derer so viele verschiedene gibt – aufgeschlossener und untereinander solidarischer. Vielleicht hat auch noch ein wenig von der Tradition preußischer Toleranz überlebt. Wie auch immer, jedenfalls hat die junge Generation hier ein günstiges Klima vorgefunden, das ihr erlaubt, ihrem Lebensgefühl Ausdruck zu geben und einen lebendigen, höchst kreativen Betrieb aufzubauen, der häufig erst dann wirklich aktiv wird, wenn “normale” Bürger schon schlafen: Sie machen Musik, Mode und entwickeln neue Kunstformen, relativ unbelastet von ökonomischem, sozialem oder politischem Druck.
Nichts Bestimmtes zog Fetting gerade an die Berliner…