Jens Rönnau
Raffael Rheinsberg
»Arbeiten zur deutsch-deutschen Geschichte«
Galerie Nemo, Eckernförde, 22.10. – 17.12.1994
Kunsthalle zu Kiel (Ankauf, Ausstellung seit 3.10.1994)
Der Oktober wird für den in Kiel geborenen Wahlberliner Raffael Rheinsberg der Monat des Jahres 1994 gewesen sein. Zu Beginn installierte er in der Kieler Kunsthalle seine dort angekaufte Bodenarbeit “Gebrochen Deutsch”. Dann überreichte ihm die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis den mit 40.000 Mark dotierten Landeskunstpreis 1994. Gleichzeitig wurde eine Schau biographischer Fotoportraits eröffnet und ein Videofilm über Rheinsberg uraufgeführt. Einen Tag später, am 22. Oktober, eröffnete Norbert Weber in seiner Eckernförder Bootshausgalerie nemo eine Ausstellung mit Rheinsbergs jüngsten Berliner Arbeiten.
“Gebrochen Deutsch” ist die älteste der jetzt gezeigten Arbeiten zur deutsch-deutschen Vergangenheit und Gegenwart – ein Feld von rund 20 Quadratmetern. Es besteht aus einigen hundert Bruchstücken mit Wortfragmenten aus ehemaligen Ostberliner Straßenschildern. Keinem Vandalismus fielen sie zum Opfer, sondern der Schilder-Norm der Wiedervereinigungsgewinner. Weil die Schrift der Straßennamen dünner ist, werden die Tafeln in den ostdeutschen Kommunen nach und nach flächendeckend ausgetauscht.
Seine ersten Funde machte der “Wertewandler” Raffael Rheinsberg 1992 im Berliner Stadtgebiet. Säuberlich wurden die Fragmente nebeneinandergelegt wie zu einem großen, unbeholfenen Riesenpuzzle. Da liegen sie nun, die gebrochenen Namen deutscher Dichter, Denker, Politiker und Orte. Zuweilen schiebt sich ein Hinweisschild für Hausnummern dazwischen, oder es erscheinen Reste von Aufklebern bestimmter Verbände und Gruppierungen. “Dimitr…”, “Prenzl…”, “Chodow…” – etliche der Straßennamen lassen sich noch rekonstruieren. Wer Ostberlin genauer kennt, könnte eine ganze Liste davon zusammenreimen – und befindet sich zunächst mehr oder weniger unbewußt mitten in einem Prozeß gesellschaftlicher Bewußtmachung….