Jochen Becker
Radix – Matrix
Daniel Libeskinds Architekturen
Museum für Gestaltung, Zürich, 3.9. – 6.11.1994
Zwei Bände mit insgesamt 1737 Seiten mißt das “Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945”, herausgegeben vom Bundesarchiv in Koblenz. Fünfundzwanzig Jahre Arbeit stecken in der Erstellung eines Verzeichnisses nach Name, Wohnort, Sterbedatum und -ort. Die Bände “Aach – Lypstadt” und “Maas – Zyzmann” sind mit gleichem bürokratischem Fleiß zusammengetragen wie die Listen der Vernichtung, welche jene Namen schon einmal verzeichneten.
»Die zeitgenössische Kultur ist auch von jenem Denken infiziert, das zum Holocaust führte. (…) Mit demselben Denken meine ich eine bestimmte Art von Rationalität, von Organisation, Bürokratie und Verwaltung. Man kann das nicht isolieren und sagen, im einen Falle sind sie gut, im anderen schlecht.«
Daniel Libeskind
Der Architekt Daniel Libeskind, in dessen Zürcher Ausstellung “Radix – Matrix” jene telefonbuchartigen Gedenkbände ausliegen, verwendet collagierte Seiten mit den Namenszeilen als Grund für das Modell seines “Erweiterungsbau des Berlin Museums mit Abteilung Jüdisches Museum”. Er besteht darauf, die jüdische als Teil der Berliner Geschichte zu präsentieren und spricht in einem Video, welches die Werkschau im Museum für Gestaltung begleitet, vom “concept of integration”. Ein Rabbi widerspricht ihm und fordert ein “jewish owened museum”, da eine Kooperation mit dem Nachfolgestaat der Massenvernichtung nicht angehe. Ein schlicht nicht zu lösender Konflikt, dessen konkretgewordener Zwiespalt sich ab 1997 besichtigen läßt.
Libeskinds Kreuzberger Erweiterungsbau mit dem zungenbrechenden Namen kennt keine Abkürzung – weder in dessen Bezeichnung noch im 150 Meter langen Gang hindurch. Die zehnfach gebrochene Linie neben…