Heidi Grundmann
Radiokunst
Bei der letzten documenta (1987) unternahm Klaus Schöning in der Audiothek den großangelegten Versuch, eine “akustische Kunst im Radio” zu definieren und ihre Entwicklung anhand einer Fülle von Beispielen nachzuzeichnen: Zum ersten Mal wurde hier ausdrücklich eine “Kunst im Radio” für eine Großausstellung der bildenden Kunst reklamiert. “Intermediale Begegnung der bildenden Kunst mit der akustischen Kunst, auf einer der größten internationalen Kunstausstellungen. Eine vor zwei Jahrzehnten noch gänzlich unrealistische Vorstellung.”1 Klaus Schönings Ansatz implizierte, daß es eine akustische Kunst gibt, die manchmal ins Radio hineinreicht. Tatsächlich zählt Schöning – als Leiter des WDR-HörSpielStudios – zu den ganz wenigen, die innerhalb von Rundfunkanstalten konsequent an der Entfaltung einer akustischen Kunst gearbeitet haben, deren Tradition nicht die des narrativen Hörspiels aber auch nicht die der musikalischen Komposition ist. Die Arbeit der aus den verschiedensten Bereichen – und nicht nur, wie beim Hörspiel üblich, aus dem der Literatur – kommenden Autoren, mit denen Schöning für sein HörSpielStudio produziert, läßt sich auf die grenzüberschreitenden Avantgarden vom Beginn unseres Jahrhunderts zurückbeziehen, so z. B. auf die Sprachexperimente und Untersuchungen der Futuristen und Dadaisten oder auf die Einbeziehung der Geräusche und des “Lärms” in die Musik, wie sie Luigi Russolo mit seiner “Arte dei Rumori” und seinen “Intonarumori” eingeleitet hat.
Folgerichtig gelangt Schöning zu folgender Definition der akustischen Kunst:
“AKUSTISCHE KUNST: Welt aus Sprache und Welt aus Klängen und Geräuschen. Sprache, die zum Laut tendiert, zum Sprachklang und zur Musik, dem Allklang der Töne, der akustischen Umwelt. Akustische Kunst: Symbiose dieser Sprach-Geräusch-Welten und Klangorganisation mit den…