Queer Cuteness
Überlegungen zu einer queeren Theorie des Niedlichen
Von Katrin Köppert
Die Runde der niedlichen, kleinen und personifizierten Schokoladen-Bonbons M&Ms hat seit 2022 ein neues Mitglied. Zu den 1996 in einem Super-Bowl-Werbespot eingeführten Charakteren „sarkastisch“, „einfach“, „cool“ und „sexy“ in Rot, Gelb, Blau und Grün kommt nun ein violettes Zuckerstück dazu, das laut Mars für Akzeptanz und Inklusivität steht.1
Niedlichkeit existiert in Ästhetik und Begriffsgeschichte an der Sollbruchstelle zu Neid, Maßlosigkeit und Gewalt.
Es dauerte nicht lang, bis Pressemitteilung und Promotion-Video zum neuen Mitglied Rechtskonservative auf den Plan riefen: „M&Ms candy falls victim to woke mob… again“, untertitelt der Nachrichtensender One America News (OAN) seinen Beitrag, in dem uns die Vermutung zugeflüstert wird, das neue M&M sei transgender.2
Dieser Essay wird also von einem Bonbon eröffnet, das, so süß und niedlich es ist, gegen Transgeschlechtlichkeit agitierende rechtskonservative Akteur*innen provoziert. Wie ist es möglich, dass die vermeintlich harmlose Ästhetik des Niedlichen Transfeindlichkeit auslöst? Zudem stellt sich die Frage, inwieweit eine queere Kritik an einer solchen Transfeindlichkeit eine andere Theorie der Niedlichkeit erforderlich macht. Denn solange sich (transfeindliche) Gewalt gegen etwas richtet, das so harmlos und niedlich daherkommt wie ein Schoko-Bonbon, so lange wird zu fragen sein, wie Niedlichkeit mit Gewalt zusammenhängt und ob es im Umkehrschluss aus Perspektive einer macht- und gewaltkritischen Queeren Theorie andere Begriffe und Konzepte von Niedlichkeit braucht.
Die eckigen Kanten von queer als Attribut für normkritische Transgression, Störung oder Widerstandspraxis scheinen abgeschliffen und rundgelutscht.
Dass sich diese nicht auf die Vorstellung einer sich im Konzept von Niedlichkeit auch andeutenden „wholesomeness“3 reduzieren lässt oder…