Heinz-Norbert Jocks
Qiu Shihua
»Weißes Feld«
Hamburger Bahnhof, Berlin, 26.4. – 5.8.2012
Weiß, nichts als ein von sanften Schatten unterlegtes Weiß scheint am Anfang von allem sichtbar zu sein. Doch je länger man sich im Hamburger Bahnhof auf die zunächst monochromen Gemälde von Qiu Shihuan einlässt und dann endlich das Tor findet, das ins Innere dieser magisch, vielleicht sogar mystischen Welt führt, umso stärker lassen sich auch andere Farben erahnen. Zarte Anklänge, von Weiß überdeckt oder dahinter verschwunden. Und mit diesen tauchen, wenn auch nur recht diffus, konkrete Formen wie gefährdete Inseln inmitten einer Leere ohne Grenzen auf. Darunter die Silhouetten von Bäumen, aus der Ferne wahrgenommen, und weit hinten ein sich ausdehnender Wald mit üppigen Baumkronen. Außerdem die Konturen von Hügelgruppen sowie die Umrisse von Bergformationen. Ein See, an dessen Ufern sich im Wasser spiegelnde Bäume erheben, ebenso wie ein durch Täler mäandernder Fluss. Immer wieder Wolken und hin und wieder das sich durch das dichte Gewölk fräsende Licht der Sonne. Doch kaum, dass eine Landschaft aus dem scheinbaren Nichts wie eine Fata Morgana kurzzeitig aufgeblitzt ist, hat sie sich auch schon wieder ins Nirgendwo verzogen. Die fragile Welt der Erscheinungen, in der sämtliche Spuren vom Menschen ausgelöscht sind, hat hier etwas so seltsam Immaterielles, dass wir zwischen dem, was ist, und dem, was nicht ist, kaum mehr unterscheiden können. Alles in allem erscheint das Sichtbare wie etwas Jenseitiges, von dem wir durch imaginäre Wände getrennt sind und zu dem wir nur vorstoßen, wenn wir die Bereitschaft und den Willen dazu…