PAOLO BIANCHI
Pubertät der Ästhetik
Assoziationen im Spiegel von Kindheit, Selbstsubversion, Techno und Familie
Ästhetik als Pubertätsphänomen ist neu. Pubertät als ästhetisches Phänomen ist alt und immer wieder romantisch verklärt worden. Die Ästhetisierung der Pubertät entspricht der Mystifizierung der Jugend. Niemand fetischisiert die Jugend hemmungsloser als Erwachsene. Der sentimentale Rückblick weckt nostalgische Gefühle. Man schwärmt vom totalen Erleben und von der totalen Hingabe der Kids – in der Freude wie im Schmerz. Vielleicht gerade darum, weil dies in der Normalwelt der Großen kaum Platz hat. Man bewundert die Intensität der gelebten Gefühle. Weil man selbst ein großes Defizit hat? Oder weil man sich nicht mehr erinnert daran, daß es soo toll nun auch wieder nicht gewesen ist?
Mit fünfunddreißig haben heute nicht wenige die eine oder andere Midlife-crisis schon hinter sich und trotzdem das Ende der Pubertät noch immer vor sich. Das Gefühl des “Forever Young” wird wie eine Reliquie im Tiefkühler des Zeitgeistes konserviert. Peinlich ist es, wenn Paul McCartney seine letzte Solotournee (1993) als einen einzigen Beatles-Nostalgietrip inszeniert, indem er lauter Schwarzweißfilmchen mit hysterischen Beatles-Fans auf die Bühne projiziert und sich damit zum Epigonen seiner selbst degradiert. Sollte die Kulturindustrie einmal Elvis als Hologramm errechnet haben, dann wird auch er bestimmt auf Tournee geschickt und über den Datenhighway in den virtuellen Sonnenuntergang gejagt. Dramatisch wird es, wenn die Transplantation von Gehirnzellen menschlicher Föten unheilbar Kranke wieder hoffen läßt und alle Menschen dem Traum von der ewigen Jugend näherbringen soll. Versucht sich der Mensch Unsterblichkeit und Schöpfungskraft anzueignen, um Gott gleich zu…