Probleme der Farbenharmonie in der Baufarbgestaltung vom Klassizismus bis zur Gegenwart
von Christel Darmstadt
“Ich bezweifele, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben für einen Maler nützlich sein können. Kaum für einen Dekorateur.”
Und:
“Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in verschiedene Gruppen anfangen und gewisse Mischungen oder Nachbarschaften verbieten, andere erlauben; und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen.”
Diese beiden Zitate aus Ludwig Wittgensteins “Bemerkungen über die Farben” (geschrieben 1951) sind vorzüglich geeignet, dem Beitrag von Christel Darmstadt vorausgeschickt zu werden. Denn sie enthalten gewissermaßen die Essenz dessen, was die Autorin in ihrem Aufsatz expliziert. Nämlich erstens, daß Feststellungen über die Erscheinungsweise der Farben bzw. ihr Zusammenwirken immer kontextabhängig sind, d.h. daß sie ihre Gültigkeit einbüßen, wenn sie von einem Kontext (z.B. der Natur oder der Malerei) auf einen anderen (hier die Architektur) übertragen werden. Und zweitens, daß es gerade im Bereich der farbigen Gestaltung von Architektur ziemlich hoffnungslos ist, auf angeblich rational begründbare “Harmoniegesetze” der Farben zu bauen. – Was dabei herauskommen kann, machen einige Abbildungen deutlich, die kaum als Glanzpunkte oder Paradebeispiele farbiger Architekturgestaltung mißverstanden werden sollten.
Heute – ca. 15 Jahre nach dem Einsetzen der derzeitigen Farbbewegung in der Architektur – wird zunehmend offener die Frage nach der harmonischen Farbgestaltung sowohl älterer als auch moderner Gebäude gestellt. Einig sind sich viele darüber, daß so manch engagiert farbig gefaßtes Gebäude keineswegs in seiner Anmutungsqualität gesteigert wurde. Und nur zu oft wünschte man sich das anspruchslose Grau der Patina zurück. Doch…