Johannes Stahl
Pressefotos im Zeitalter ihrer Wiederverwendung
Digne Meller-Marcovicz, Galerie am Schloß, 2.7.-30.7.1989
Ernst Mitzka, Galerie Philomene Magers, 8.4.-31.5.89
Man hat sich geeinigt: 50 Jahre nach der Französischen Revolution und knapp 50 Jahre vor der Erfindung des Automobils soll der Geburtstag der Fotografie gewesen sein, 1989 will man ihn feiern. Revolutionen nagen an ihren Kindern.
Auf dem klassischen Gebiet der Fotografiegeschichte und deren Präsentation sieht man noch keine übergroßen Probleme. Das “Medium” Fotografie wird nach wie vor durch seine technische Bestimmung definiert, als ein Beispiel mag der entsprechende Band der Propyläen- Kunstgeschichte dienen. Eigentümlicherweise bemächtigt sich aber gerade die aufkommende Videobild-Technologie der hier bestimmenden Faktoren wie Reproduzierbarkeit, Massenware und Naturtreue. Werden, um ein ästhetisches Gewicht zu schaffen, dereinst auch Videoprints in Schrägschnittpassepartouts und Silberrahmen präsentiert werden?
Zwei Ausstellungen südlich von Köln beschäftigen sich mit einem bezeichnenden Spezialthema des Jubelspektrums: der Pressefotografie. In Brühl, jener Kleinstadt, die neben dem aus dem Fernsehen bekannten Repräsentationsschloß auch noch das Erbe zu verwalten hat, die Geburtsstadt von Max Ernst zu sein, hat die Fotografin und Filmemacherin Digne Meller-Marcovicz eine bemerkenswerte Ausstellung gestaltet. Mit zahlreichen Kollegen teilt sie eine Hypothek der Pressefotografie: ihre Bilder sind – auch über das kurzlebige Pressegeschäft hinaus – weltbekannt; manche bekommen als “Zeitdokumente” sogar hohen geschichtlichen Rang eingeräumt. Name und Person der Fotografen bleiben jedoch im Hintergrund; auch im freundlichen Hinweis auf die Ausstellung der Hausfotografin schreibt der Spiegel wiederholt nur von “Meller-Marcovicz-Fotos”. Das Foto scheint ihm nach wie vor wichtiger zu sein wegen des Informationsgehalts zum Thema Ausstellung als wegen seines fotografischen Werts; der…