Johannes Meinhardt
Präambel und Promenade
Fragwürdige Referenz und vielfältige Wirklichkeiten
Präambel
Ein von vornherein auffälliger Aspekt der documenta 8 ist, daß sie eher – durch eine beträchtliche Anzahl der ausgestellten Werke -spezifische Fragen stellt, die sich aus den »Positionen« der Werke ergeben, als daß die einzelnen Werke diese Fragen explizit selber stellen. Sehr deutlich wird dabei, daß die intentionale und thematische Reichweite eines Werkes nicht mit der Reichweite der Fragen, zu denen seine Position in einem allgemeineren Feld von Referentialität Anlaß gibt, zusammenfällt: Der »objektive Gehalt« vieler Arbeiten auf der documenta 8 reicht über deren thematischen Einsatz hinaus. Eine Fragestellung, die einige Zeit zurückgedrängt worden war, tritt hier in den Vordergrund (was nicht bedeutet, daß sie allgemein die zeitgenössische Kunst beherrscht): die Frage, welche die Bedingungen sind, die es ermöglichen, etwas als Gegenstand, als Kunstwerk, als Zeichen oder als Ausdruck (eines Innen, einer Subjektivität) wahrzunehmen, zu erfahren oder zu verstehen (die Trennung von Wahrnehmung und Lektüre, Welt und Interpretation gerät dabei in Zerrüttung). Spätestens mit Duchamps »ready mades« 1913/14 war klar geworden, daß »Kunst« und »Wirklichkeit« nicht so kategorial getrennt sind, wie bis dahin selbstverständlich war. Es hatte sich gezeigt, daß diese kategoriale Trennung nur Ausdruck selbstverständlicher Einstellungen und Denkformen war, und nicht der »Natur« von Gegenstand und Kunstwerk angehört. Mit der zunehmenden Auflösung einer »natürlichen Referentialität« der Kunst, nämlich ihrer selbstverständlichen Bezugnahme auf eine autonome Wahrnehmungswirklichkeit, geriet nicht nur die kategoriale Unterscheidung von Kunst, (als dem Bereich der ästhetischen Einstellung gegenüber einem Bereich von Wirklichkeit, der als eine differenzierte Weise von…