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POV GenZ · von Jennifer Braun · S. 210 - 211
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Pov Gen Z

Sun Yuan & Peng Yu: Can’t Help Myself (2016)
von Jennifer Braun

Kennen Sie das berühmteste zeitgenössische Kunstwerk auf TikTok? Die Community zitiert es in den Kommentaren, wenn manische Routine und verzweifelte Erschöpfung verhandelt werden. Sei es ein sich wild drehender Topf deckel oder eine unterbezahlte Angestellte beim Bodenschrubben. @ idigcrystals bekam 6,7 Mio. Likes und 53 Mio. Views für ihr darauf bezogenes Halloweenkostüm. Das mentale Bild dieses Kunstwerks wird mit vier Wörtern heraufbeschworen:

It looks so tired.

Alle wissen sofort, worum es geht: Ein schwarzer Roboterarm auf einer weißen Fläche. Eine panoramische Plexiglasscheibe trennt ihn von Schaulustigen. Der Roboter hat eine Aufgabe: er soll die unter ihm auslaufende dunkelrote Flüssigkeit im vorgegebenen Umkreis behalten. Das tut er mit 32 programmierten Bewegungen. Diese wirken aber alles andere als mechanisch.

Der Roboter stellt sich ungeschickt an, wackelt kurz mit dem Spachtel wie man kurz mit den Fingern wackelt, wenn man vergisst, was man eben noch machen wollte. Er stoppt die Flüssigkeit an einer Stelle und merkt erst zu spät, dass sie hinter ihm wieder ausläuft. Leise Knistergeräusche hören sich wie Gemurmel an. Nach dem Aufwischen ein kurzes Innehalten, das wie Erleichterung aussieht. Und dann ist da noch der Titel: Can’t Help Myself. „Ich kann halt nicht anders…“

Die Online-Reaktionen teilen sich in zwei Lager. Nicht nur wegen der Frage, ob das noch Kunst ist, sondern vor allem, ob eine Maschine Empathie verdient. Viele finden den Gedanken absurd und ziehen Mitleidsbekundungen ins Lächerliche. Andere posten Videos des Roboters mit trauriger Hintergrundmusik (slowed und…

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