Hans-Jürgen Hafner
Poul Gernes
Werk, Praxis, Wirklichkeit?
Wirkliche Effekte eines künstlerischen Projekts
Wenn im Zusammenhang mit der aktuell erneuten Aufmerksamkeit für das Werk von Poul Gernes (1925-1996) einmal mehr von einer „Wiederentdeckung“ des dänischen Künstlers die Rede ist, dann ist das beinahe in doppeltem Sinn falsch. Das geradezu überschwängliche Presseecho1 auf die erst kürzlich in den Hamburger Deichtorhallen gezeigte Gernes-Retrospektive2 könnte womöglich darüber hinweg täuschen. Streng genommen braucht Gernes nach der Documenta 12 (2007) aber nicht mehr entdeckt zu werden. Denn seit der prominenten Präsentation im Kasseler Aue-Pavillon und den umliegenden Parkanlagen (Streifen- und Zielscheiben), sowie seiner Fahnenentwürfe3 im Fridericianum avancierte der zuvor, vor allem unter KünstlerInnen, als ‚Geheimtipp’ gehandelte Künstler zu einer der zentralen Figuren – nicht nur – der skandinavischen Kunst nach dem zweiten Weltkrieg.
In Deutschland bis dahin weitgehend unbekannt, wurde die Rezeption Gernes’ primär durch die großartige Entrepreneurleistung von Michael Krebber und Cosima von Bonin angestoßen. Auf Krebbers Empfehlung hin auf Gernes aufmerksam geworden, konnte von Bonin mehrere seiner historischen Arbeiten in ihre eigene, regelrecht zur Gernes-Hommage weitergesponnenen Einzelausstellung „Bruder Poul sticht in See“ (2001) im Hamburger Kunstverein einbeziehen. Im darauf folgenden Jahr initiierte von Bonin mit „Poul Gernes Arbeiten aus den Jahren 1960 bis 1996“ im Braunschweiger Kunstverein außerdem eine sehr ausführliche retrospektive Werkschau, die sie zudem kuratorisch und inszenatorisch mitbetreute. Der damals publizierte Katalog4 hatte dann stark dazu beigetragen das Werk des Künstlers auch über die Grenzen Dänemarks hinaus in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken.
Wenn Gernes’ künstlerische Produktion erst jüngst auch für den Kunsthandel attraktiv…