Heidi Grundmann
Post-Sozialismus
Zur österreichischen Kunstpolitik der Gegenwart
Mit einem gewissen ungläubigen Erstaunen starrt das Österreich der späten 80er Jahre auf die vielen Rechnungen, die ihm plötzlich präsentiert werden – ist es doch wahrlich noch gar nicht so lange her, seit man mit den Löhnen und dem Bruttonationalprodukt Europaniveau erreichte (1973), unglaublich niedrige Arbeitslosenziffern hatte (1980 erst 2%), mutig Reformen aller Art anging (Familienrecht, Strafrecht, usw.) und in aller Welt angesehen war. Obwohl man sich gerade erst wissenschaftlich bestätigen ließ, daß es mit dem Antisemitismus in Österreich gar nicht so schlimm ist (1987) und daß die Österreicher besonders amerikafreundlich sind (ebenfalls 1987), ist das 1986 von einer Mehrheit – »jetzt erst recht« – gewählte Staatsoberhaupt keineswegs überall willkommen. So weigerte sich etwa der belgische König, zusammen mit Waldheim den Ehrenschutz über die »Europalia 87«, bei der Österreich im Herbst als erstes Nicht-EG-Land seine Kunst und Kultur ausbreiten soll, zu übernehmen. Mit der königlichen Weigerung wurde bei einem Besuch in Belgien ausgerechnet der neue österreichische Außenminister Alois Mock konfrontiert; derselbe Alois Mock, der (als für den parteiunabhängigen Präsidentschaftskandidaten zuständiger Parteiobmann) allen in- und besonders ausländischen Anwürfen und Widerständen zum Trotz »erst recht« hinter Waldheim gestanden war. Außenminister ist er geworden, weil jetzt auch die großkoalitionären Zeiten zwischen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) wieder da sind, die man in den siebziger Jahren für überwunden gehalten hatte. Vorangegangen war der großen allerdings eine kleine SPÖ-FPÖ-Koalition, die viele auch nicht so leicht für möglich gehalten hätten und die dazu geführt hat,…