Post-Performance
Live-Akts und Partizipation – ein Core-Business der Biennale
Live-Acts und Partizipation des Publikums behaupten zunehmend feste Plätze im Kanon der bildenden Kunst. Mit der 56. Venedig Biennale ist man endgültig ins Zeitalter des Post-Performativen eingetreten
von Max Glauner
I. DIE ARENA
Hat die bildende Kunst heute nichts mehr Substantielles zur Welt zu sagen? Die Frage drängt sich dem Besucher des Zentralen Pavillons in den Giardini unwillkürlich auf. Im Zentrum der von Okwui Enwezor kuratierten Hauptausstellung „All the World`s Futures“ ist kein Kunstwerk ausgestellt. Stattdessen vermerkt der Lageplan eine „Arena“, in der über die gesamten sieben Monate der Biennale Veranstaltungen durchgeführt werden sollen, Vorträge, Lecture Performances, Filme und Musikveranstaltungen. Auch das Publikum ist aufgerufen in Absprache mit den Organisatoren Darbietungen beizutragen. Vor allem aber wird unter dem Titel „Das Kapital Oratorio“ das gesamte Hauptwerk Karl Marx` täglich in vier 30-Minuten-Sessions in der Inszenierung des britischen Künstlers Isaac Julien zu Gehör gebracht.
Also Nachsitzen und Mitmachen für alle? Und schlimmer noch, ist das nicht die explizite Kampfansage an die Kunst und ihr Publikum? Wer es ausschließlich so lesen möchte, hält die Kriegserklärung bereits in der Hand. Der Begriff „Arena“ lässt freilich zuerst an agonale Veranstaltungen, Zirkus-Kunst-Stücke und Leichtathletik denken. Doch für nichts dergleichen eignet sich der große rot ausgeschlagene, vom ghanaisch-britischen Architekten David Adjaye entworfene Veranstaltungssaal, der mit Sitzpolstern auf breiten Stufen rechts und links des rechteckigen Podiums und einer Empore über dem Publikumsdurchgang zum Zuhören und Zuschauen einlädt.
Konzentration fällt hier nicht leicht. Der Durchgang bildet die Hauptpassage zwischen den westlichen und östlichen Sälen des…