Post-Cuteness
Material des Niedlichen nach dem Internet
Von Katja Gunkel
Warm, weich, flauschig – einfach zum Liebhaben. Niedlichkeit ist allgegenwärtig, vor allem im Internet. Sowohl Geschmacksurteil als auch impulsivaffektive Resonanz sind im Fall des Niedlichen in besonderem Maße an konventionalisierte haptischtaktile Material- und Formeigenschaften gebunden.1 Das gilt nicht nur, doch vor allem auch in der digitalen Kultur und im Zeitalter der „berührungslosen Gesellschaft“.2
Die hyperkommodifizierte, von der polyvalenten, kontextflexiblen Ästhetik des Niedlichen in vielerlei Hinsicht durchzogene Gegenwart ist die Bedingung und der Ausgangspunkt einer Reihe jüngerer künstlerischer Positionen. Anhand ihrer Arbeiten lassen sich Überlegungen zu einem Phänomen anstellen, das in Anlehnung an die internet-geprägte künstlerische Post-Internet-Haltung Post-Cuteness genannt werden kann. Es handelt sich um Künstler*innen, die sich im Kontext des networked image bewegen und den Bild-, Formen- sowie Materialkosmos des Niedlichen nutzen – wohl wissend um die Ambivalenzen, die dergestalt harmlos wie liebenswert Konfektioniertes mitbringt. Mit unterschiedlichen Strategien wird das Konzept cute um weitere Spiel- und Lesarten erweitert: Von der vergifteten Verlockung einer effektvoll dargebotenen flauschigen Leckerei, deren Partizipationsgesuch in einem mehr als fragwürdigen Experiment endet, über eine Aktdarstellung, die im Vollzug des Schauens das (Macht-)Spiel von Nähe und Distanz in den Fokus rückt, zu einem befremdlichen Fetisch-Amalgam aus überbordender Cuteness und absolutem Kuschelverbot. Post-Cuteness verweist denn auch auf die Wirkungsmacht und Produktivität des Niedlichen, das seine Erscheinungsformen beständig erweitert, verändert und somit zur Diskussion stellt.
Gläserne Zurichtung als bittersüsse Versuchung: Bonsai Kitten (2021)
Mit Bonsai Kitten (2021) nehmen Eva und Franco Mattes (beide geb. 1976) bereits zum fünften Mal ein populäres Katzenmeme zum Ausgangspunkt…