Portale in die Zukunft?
Im Stream der serialen Wirklichkeiten
von Ellen Wagner
Die „Netflixisierung“ unseres Wirklichkeitsempfindens hat in der Corona-Pandemie weiter zugenommen. Viele von uns haben ihren Serienkonsum gesteigert. Doch was bedeutet es eigentlich für unser Vermögen, die Gegenwart mit einer Zukunft, eigenständigen Erwartungen und Anliegen für das, was kommt, zu verknüpfen, wenn wir zyklisch von Staffel zu Staffel leben, wo „jeweils alles ganz anders und doch irgendwie gleich ist“?1
Ressource oder Echokammer?
Twitter ist voller Vergleiche des politischen Geschehens mit populären Serien: „#Brexit ist ein bisschen so wie #TheWalkingDead. Man denkt, das Ende sei erreicht und dann kommt der immerselbe Twist und eine ganze Staffel wird noch drangehängt.“2 Alarmismus und Langeweile kippen wie im Loop ineinander. Maren Lickhardt schildert hier eine Art „Reset-Modus“ medialer Wahrnehmung, wenn politische Krisen kaum noch als „Wende- und Entscheidungspunkte“ wahrgenommen werden können, da „sich regelmäßig nachträglich herausstellt, dass sie dann doch keine gewesen sind“.3
Sie scheint Ähnliches anzudeuten wie Bernd Scherer im Gespräch mit Stefan Aue: dass „die Dynamisierung der Gegenwart durch Erinnerung und Imagination“ im gesellschaftlichen Diskurs oft „durch eine Fossilisierung der Vergangenheit und eine Fiktionalisierung der Zukunft ersetzt [werde]“.4
Im Leerlauf seiner selbst scheint das Heute kaum zu etwas werden zu können, das sich gestaltbar, umkämpfbar, transformierbar gibt. Und auf die Nachsilbe kommt es an: den Möglichkeitsraum, der nicht im endlosen Stream aufgetan werden kann, sondern Abstände und Unterbrechungen braucht.
Nun sprechen Scherer und Aue nicht über unser Dasein als Aficionados auf der Wohnzimmercouch, sondern über die Rolle von Archiven für unsere Vorstellungskraft. Doch kann das breite Angebot an…
