Richard Shusterman
»Populäre Kultur verbessert, verstärkt und erleichtert das Leben«
Antworten des Us-Philosophen auf die Frage:
Warum braucht die Populäre Kultur eine ästhetische Theorie?
Ein Gespräch von Harald Fricke und Jörg Lau
Einführung von Stephan Hentz
Rap ist Polysemie
In seinem 1992 erschienen Buch “Kunst Leben – Die Ästhetik des Pragmatismus”, das nun in einer unglaublich schlampigen deutschen Übersetzung vorliegt, versucht Shusterman, den apriorischen Zirkel der philosophischen Ästhetik zu knacken, indem er an einem konkreten Beispiel aus dem Hip Hop, einem Rap von Stetsasonic, nachweist, daß “populäre Kunstwerke tatsächlich genau die ästhetischen Werte besitzen, die ihre Kritiker ausschließlich der hohen Kunst vorbehalten: (…) Einheit und Komplexität, Intertextualität und offen-strukturierte Polysemie, Experimentieren und deutliche Aufmerksamkeit auf das Medium”.
In einer genauen Textstudie führt Shusterman vor, daß in diesem Rap-Beispiel solche formalen Kriterien für den Kunstcharakter erfüllt sind. Einen starken Hang zur Intertextualität markieren die Hip-Hop-typischen Produktionsweisen des Sampling und des Scratching, wo vorgefundene Klangsplitter in einen neuen komplexen Zusammenhang montiert werden. Die Polysemie war schon zu Zeiten der Sklaverei ein wichtiges Stilmittel afroamerikanischer Sprechweisen. In scheinbar harmlosen Sätzen wurden verborgene Bedeutungen mitgeteilt, die für die Aufseher und die weißen Herren nicht wahrnehmbar waren. In dieser Tradition steht auch der untersuchte Rap, denn auch er spielt mit Haupt- und Nebenbedeutungen, mit den unterschiedlichen Assoziationsräumen, die diese erschließen. Darüber hinaus werden die medienethischen Fragen nach der Zulässigkeit des Sampling und dem Platz, den dieser konkrete Rap in der Geschichte der afroamerikanischen Musik beansprucht, thematisiert. Shusterman gelingt der Nachweis mühelos, daß auch Hip-Hop-Songs den Kriterien für Kunstwerke standhalten können,…