politische pARTizipation jetzt
von Raimar Stange
Wie die Neoavantgarden der 1960er und 1970er Jahre wehrt sich heute eine vermehrte Zahl künstlerischer Performances gegen die herrschende Tendenz im Kunstbetrieb, ästhetische Produktion nach ökonomischen Verwertungskritierien auszurichten. Ein Teil dieser Gegenbewegung besteht in der Aufhebung der Trennung von Künstler und Publikum – diese partizipatorische Kunstpraxis setzt zudem explizit auf politisches Engagement.
I. AKTIVES STILLSTEHEN
„Politisierung kann es nicht ohne konfliktvolle Darstellung der Welt mit gegnerischen Lagern geben“, betont die französische Philosophin Chantal Mouffe 2005 in ihrem Buch „Über das Politische“ (Frankfurt/M, 2007/S.35). In diesem Sinne inszeniert die israelische Künstlerin Yael Bartana in ihrer künstlerischen Arbeit des Öfteren widerspruchsvoll-provokative und überaus engagierte Szenearien. So startete sie zum Beispiel im Rahmen des Theaterfestivals „Impulse“ in Köln 2013 ihre Aktion Zwei Minuten Stillstand. Die Künstlerin forderte die Bewohner der Domstadt mit dem Slogan „Halt an und denke“ dazu auf, am 28. Juni 2013 um 11 Uhr an zwei Orten der Stadt, am Roncalliplatz vor dem Kölner Dom und in der Keupstraße, für zwei Minuten demonstrativ stillzustehen. In der von der türkischen Commuity geprägten Keupstraße ereignete sich 2004 ein folgenschwerer Bombenanschlag durch die rechtsnationalistische Gruppe NSU. Mit dem durch die Künstlerin initiierten Stillstehen wollte man sich an den Holocaust erinnern und zudem der Opfer faschistischer Bewegungen gedenken. Bei strömenden Regen standen dann also an diesen beiden Orten um ein auf den Boden gemaltes monochrom weißes, überdimensioniertes Stoppschild hunderte von Menschen und schwiegen. Auch die Fußball-Bundesligamannschaft des 1. FC Köln unterbrach auf Veranlassung der Künstlerin für 2 Minuten ihr Training. Aber es…