MARCUS LÜTKEMEYER
points of view
Künstlerhaus Dortmund, 12.10. – 18.11.2001
Seit die Perspektive dem streng wissenschaftlichen Sprachkodex entwichen ist, gilt sie als beliebte Universalworthülse, mit dem Ziel allgemeine Sinnentleerung und Ideenlosigkeit durch eine ebenso imaginäre wie diffuse äußere Richtungsweisung zu kompensieren. Jedoch ist Perspektivierung weniger ein äußerer Vorgang des Sich-in-Verhältnis-Setzens eines Subjekts zu bestimmten affizierenden Sachverhalten, sondern vielmehr ein inneres Formprinzip jeder Subjekt-Orientierung. Gleichsam erweist sich die Gewinnung einer ‘Sicht’ auf die Welt als die Erzeugung, als der Konstruktionsprozess dieser Welt selber – nicht zuletzt, um die Gefahr des perspektivischen Verlustes angesichts einer wahrgenommenen räumlichen Unendlichkeit zu bannen. So zeitigt jede Bemühung um Form und formgebende Verfahren einen Versuch der Selbst-Verteidigung, wobei der Perspektivwechsel notwendig einen Gestaltwandel im Ganzen bedingt.
Dem Stellenwert der Perspektive in der zeitgenössischen Kunst auf die Schliche zu kommen, beabsichtigt nun eine Gruppenausstellung im Künstlerhaus Dortmund. Unter dem Titel “points of view” versammelt die Schau mit 30 Positionen von 14 deutschen und internationalen Künstlern eine breite Auswahl künstlerischer Strategien, die sich aller Medien bedienen und neben ganz unterschiedlichen Ansätzen auch gemeinsame Standpunkte zulassen. Denn gerade über die formalen Ähnlichkeiten knüpft sich ein komplexer Dialog, der unsere Wahrnehmungsfähigkeit und -muster nachhaltig zu prüfen vermag.
Wenngleich Perspektive als idealer Raumbegriff und vermeintlicher Bestandteil lebendiger Erfahrung mit Blick auf die binokulare Sehwirklichkeit längst entzaubert ist, wird dennoch an perspektivischen Verfahren festgehalten – was sich vor allem dem Machtpotential verdankt, das diesen Sehsystemen innewohnt. Denn indem der Mensch die Welt mit seinen Blicken einfängt, hält er sie sich als Bild verfügbar. Aber erscheint das…