Vitus H. Weh
Point of Sale
Ein Supermarkt in Wien
Kaufen muß schnell gehen. Die Einrichtung der Läden sieht entsprechend aus: überall Regalfluchten, die zügiges Durchqueren versprechen – so, als wären sie die Banden einer Rennbahn, die auch dann auf Kurs halten, wenn der Einkaufswagen ins Trudeln kommen sollte. Wie man sich denken kann, hat diese Gestaltung keine fürsorglichen Gründe. Es ist lediglich der Anfang einer raffinierten Dramaturgie, die die Kundschaft in den Laden zu locken und drinnen effizient zum Einsammeln von Waren zu animieren hat. Im Grunde weiß jeder, wie es abläuft: Die Dinge, die man wirklich benötigt (siehe Einkaufszettel), rafft man en passant zusammen und eilt – hier noch ein Sonderangebot schnappend, dort an einem geschickt plazierten Warenkorb vorbei dem Ausgang zu, um schließlich die viele Zeit, die auf dem rasanten Parcours gespart wurde, vor den Kassen wieder abzuwarten. Das ganze ist solch eine paradoxe Situation, daß jeder nur noch dumpf vor sich hinschaut.
Kurz vor der Verblödung hat sich nun aber vielleicht eine Alternative aufgetan. Im Wiener Stadtteil Wieden hat seit Dezember 1998 mit “Point of Sale” ein kleiner Supermarkt geöffnet, der solchem gelenkten und gedankenverlorenen Einkaufen etwas entgegenzusetzen versucht. Durch die gewölbende Fensterfront läßt sich der 170 Quadratmeter große Verkaufsraum bereits gut überblicken. Schön voll sieht er aus, alles fein geordnet. Es ist der typische Warenkorb eines Nahversorgers: Brot, Obst, Gemüse, Milchprodukte, Wurstwaren, Haushaltsartikel, Getränke, Süßigkeiten. Auffallend ist zuerst nur, daß sich die Waren bis zur Decke stapeln. Wer näher hinzutritt, bemerkt allerdings verblüfft, daß jedes Produkt gleich zweifach…