Max Glauner
Poesie der Großstadt
»Die Affichisten«
Museum Tinguely, Basel, 22.10. 2014 – 11.1.2015
Das Statement des Surrealisten, Trotzkisten, Schriftstellers und Kriminalautors Léo Malet hätte eine gute Steilvorlage abgegeben. Mit Arbeiten von Braque, Picasso, Höch, Hausmann oder Schwitters im Rücken formuliert er 1930: „Die Collage der Zukunft wird ohne Schere, Messer oder Leim ausgeführt. (…) Sie verlässt den Arbeitstisch des Künstlers und die Oberflächen des Kartonpapiers und nimmt die Mauern der Großstadt in Beschlag, das unbegrenzte Feld poetischer Taten.“
Dazu kam es nicht mehr. Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg unterbrachen das détournement der Avantgarden, das der Großstadt eine künstlerische Praxis hätte abgewinnen können. Malets Prognose bewahrheitet sich erst knapp 20 Jahre später. 1949 schaffen die jungen Bretonen in Paris, beide Jahrgang 1926, Raymond Hains und Jacques de la Villeglé gemeinsam die friesartige Collage „Ach Alma Manetro, février 1949“, gut 60 cm hoch, 260 cm lang. Noch ist sie aus Abrissen von Reklamen, Anzeigen, Annoncen, französisch, „Affiches“, auf Karton zusammengeklebt. Links von Villeglé, rechts von Hains. Ein Gewitter aus schwarzen und roten Wort- und Buchstabenfetzen, mal wild, in sich überlagernden Schichten verdichtet, mal ruhig in der Horizontalen gelagert, auf angegilbtem Papier und roten Balken. Nichts Figuratives zeigt sich da, – lediglich die fragmentierten Botschaften der Straße, mimetisch nur insofern, als die künstlerische Ordnung die Arbitrarität der Wirklichkeit neu arrangiert und in den Kontext Kunst überführt.
„Ach Alma Manetro“ markiert einen ersten, entschlossenen Schritt aus dem Stupor der Nachkriegsjahre, ein erstes selbstbewusstes Dokument einer unbekümmerten Appropriation und Übersetzung der gauloisen Metropolenrealität. Nun steht es programmatisch am Eingang…