Ursula Maria Probst
Plötzlich diese Übersicht
Was gute zeitgenössische Kunst ausmacht
Jörg Heisers beschwingte argumentative Methode als Autor gleicht jener, die er als Kurator von Ausstellungen wie „Romantischer Konzeptualismus“ oder „Funky Lessons“ zur Anwendung bringt: nämlich dem Kanon der Kunstgeschichtsschreibung neue bis dato tabuisierte Wahlverwandtschaften hinzuzufügen, auf dem Kunstmarkt gehypte Positionen als Bluffs zu entlarven und gängigen Kriterien in der Rezeption zeitgenössischer Kunst, den antiautoritären Effekt des Slapsticks schmackhaft zu machen. Es mangelt nicht an Thesen. Auf Nicolas Bourriauds gern zitierte „Relationale Ästhetik“ wird mit einer „Kunst des Delegierens“ gekontert. In einem essayistischen Schreibstil wendet sich Jörg Heiser immer direkt an den Leser, appelliert an dessen imaginatives Vermögen, sich in den Schlagabtausch von „Good Cop“ und „Bad Cop“ zu involvieren und Lust an künstlerischen Versuchsanordnungen zu entwickeln. Wie beispielsweise an der Tonskulpturenserie von Fischli/Weiss aus dem Jahr 1981, deren Titel „Plötzlich diese Übersicht“ für Heisers Publikation Pate stand. So ist es im ersten Kapitel „Pathos gegen Lächerlichkeit“ erneut die Kunst des Slapsticks, welche Skulpturen von Maurizio Cattelan, Monica Bonvicini oder Franz West bis zu Marcel Duchamps Readymades auf einen Nenner bringt.
Jörg Heiser gelingt es, ohne zwingende Kategorisierungen künstlerischer Strategien wie Appropriationskunst, Neo-Modernismus, Dokufiction oder andere normative Festschreibungen auszukommen. Auf die nostalgische Sehnsucht der sogenannten kulturellen Elite nach Boheme, kontert Heiser, dass sich in der zeitgenössischen Kunst der Akzent von Biografie und Medium weg zu Methode und Situation verschoben hat. In den vier Hauptkapiteln des Buches greift Heiser vier zentrale Spannungsverhältnisse der Gegenwartskunst auf, orientiert sich zwar zunächst an den Gattungen Skulptur,…