Martin Blättner
Platino – »Nahdistanzen«
Staatsgalerie Stuttgart, 15.4. – 26.6.2000
Die großformatige Fotoarbeit hinter Acrylglas ist wie zufällig in der Ecke hinter dem Herrenberger Altar (1480-1526) angelehnt und zeigt einen Raumausschnitt aus dem Atelier des Künstlers Platino, der das so betitelte “Extern 94” Cibachrome-Foto zwischen 1997 und 1999 geschaffen hat. Formale und inhaltliche Querverweise sind zwischen den so gegensätzlichen Kunstobjekten in der altdeutschen Abteilung der Staatsgalerie nicht ganz ausgeschlossen. Die kühlen Blaugrün-Töne und das rote Lokalkolorit auf der spiegelnden Fototafel korrespondieren mit der Malerei von Jerg Ratgeb, obwohl dieser einen spätgotischen Realismus vertritt und seitdem immerhin ein halbes Jahrtausend vergangen ist. Aber weder ist mit dem Ausstellungstitel “Nahdistanzen” unbedingt die örtliche Nachbarschaft gemeint, noch muss ein denkbarer Bezug zwischen den verstreuten Utensilien im Atelier (Zangen, Scheren, Schraubenzieher, Messer) und den gemalten Folterwerkzeugen des Gekreuzigten konstruiert werden. Mit dem Begriff einer “Nahdistanz” wird vielmehr auf das Paradoxon der Fotografie angespielt, dass die dargestellten Dinge – wenn man diese mit dem Teleobjektiv nur nahe genug heranholt – zum Verschwinden gebracht werden. Denn dass wie auf dieser Fotoarbeit die Objekte erkennbar sind, obwohl diese aus dem formalen Kontext des dreidimensionalen Raumes entrissen wurden, ist eher die Ausnahme. Vielmehr versucht Platino die Dichte und “Energie” von Gegenständen in einer bestimmten Konstellation derart ins Licht zu rücken, dass sich diese in Strukturen, Grauwerte und Farben auflösen. Hinzu kommt, dass er das Energiepotential in dem Bildraum seines eigenen Ateliers fixiert, bei deren Durchgestaltung er nie ganz unbeteiligt war. In seiner frühen Rotphase stand die bewusste Inszenierung noch im…