Vorwort Plus 4 Bonus Tracks Pilze im Sauerteig
Oder »Der Mix Ist Alles«
Jede Suche nach einer künftigen Avantgarde gebiert eine schier endlose Reihe von Revolten, Ideen und konkreten Experimenten. Einige Kunst-Ismen kennt man heute noch: Dadaismus, Kubismus, Futurismus etc. Andere bloß kurzlebige Epiphänomene sind kaum bekannt: der Adamismus, der Estridentismus, der Artifizialismus etc. Bei fast allen ging die Auflehnung der Philosophie voraus.
Die alten Avantgarden hielten an einer Reihe gemeinsamer Forderungen fest, etwa an der radikalen Abkehr von der Tradition, an der Eröffnung einer neuen Epoche, an Innovation, Schock und Verfremdung, an der Verschmelzung von Kunst und Leben, an der Überwindung individuellen Schöpfertums zugunsten kollektiver Autorschaft. Die Anything-goes-Attitüde der achtziger Jahre brach alle Tabus, und alles wurde einerlei: Judenvernichtung und Harndrang, Heiner Müller und Dagobert Duck, Biermann und Bier. Ob im Theater oder im Museum, keiner kam schlauer raus, als er reinging. Womöglich ist diese Langeweile zeitgemäß.
Neue Avantgarden leben von vermeintlichen Paradoxien. Gegen(warts)kulturen betreiben den Umgang mit Traditionen nämlich zugleich respektlos und respektvoll: Gefundenes, Erfundenes und Wiedergefundenes dienen als fragmentarische Versatzstücke, aus denen mit Sammelwut und Umdeutungskraft eine verwirrende Vielfalt geschaffen wird, welche die mediale Reizüberflutung von heute widerspiegelt.
Geschichte wird als unendliches, ja babylonisches Archiv der Bilder, Medien, Sounds und Zeichen begriffen, um die offenen Räume der Zukunft zu erkunden. Das eigene Leben wird heute als nomadische Erfahrung gelebt, spielt sich gewissermaßen ab wie in einem Walkman: Mit seinen mehrfachen Funktionen erschließt er einem die Welt reisend (record) und erzählend (play) und wirft dabei erst noch einen rückblickenden Blick (rewind/review) auf eine…