Reinhard Spieler
Piero Steinle: Tierkörper
Eine audiovisuelle Installation
Orangerie im Englischen Garten, München, 20.4. – 27.5.2001
Mit einer Sequenz von Diaprojektionen, begleitet von Originalgeräuschen und schütteren, vom Künstler selbst entworfenen elektronischen Klängen, entführt Piero Steinle den Betrachter in nie gekannte und gesehene Räume. Tierkörperbeseitigungsanstalten, verharmlosend neutral TBA’s genannt, gehören zu den absoluten Tabu-Orten unserer Gesellschaft, von deren Existenz die meisten erst jüngst während der BSE-Krise überhaupt erstmals Kenntnis genommen haben. Monate lang musste Steinle sich mit Behörden um Zutritts- und Fotogenehmigung streiten. Aufnahmen in einem Atomkraftwerk, als “AKW” namentlich gleichermaßen entschärfte Tabu-Schwester der TBA, wären wohl kaum schwieriger gewesen.
Der Ausflug sprengt den üblichen Horizont, und das sicherlich nicht nur wegen des gigantischen Bildformats von 4,5 auf 18 Meter, projiziert von sechs Diaprojektoren in bestechender fotografischer Präzision. Er geht im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut. Schon das erste Bild der insgesamt knapp 60-minütigen Sequenz ist Programm für Steinles Vorhaben: Man glaubt ein pastos gemaltes, abstraktes Bild in einer Super-Nahaufnahme vor sich zu haben. Eine dramatische Landschaft in schwarzweiß, eine Landschaft aus Furchen und Gräben, aus gestrichenen, geschmierten und gespachtelten Farbwülsten in unendlich vielfältigen Tonschattierungen, die Reliefwirkung effektvoll ins Streif-Licht gesetzt.
Erst die nächsten Bilder, die von der Nahsicht in die distanziertere Perspektive wechseln, bringen schockierende Aufklärung. Es handelt sich nicht etwa um ein Gemälde, sondern um die geschundene Oberfläche eines toten Tierkörpers. Doch der erste Schock ob dieses Anblicks der gequälten Kreatur wird durch die stille Ästhetik des eindringlichen Blicks aufgefangen. Die Bilder machen betroffen – nicht nur wegen des Anblicks…