Pied-à-terre
Einen Fuß am Boden
von Georg Jappe
Immer von einem Turm geträumt. Seit meiner Kindheit. Ein bestimmter Turm hat mir geträumt. Habe ihn nicht bekommen. Und deshalb seine Stockwerke über die Länder verstreut. In Hüttenform, und immer provisorisch.
Provision – Voraussicht, Vorrat. Eines Nachts von einer Mure (Gesteinslawine) mitgerissen, seitdem fühle ich mich in Zelten unbehaust. Brauche etwas Festes über dem Kopf. Aber die Zelte abbrechen können, jeder Zeit und immer wieder – ich bin Kulturflüchter. Das ist eine ornithologische Klasse.
Nicht über alle Länder. Erstens bin ich über Europa kaum hinausgekommen. Zweitens sind da Landschaften – Norwegen oder Griechenland, Kashbas oder Sahara – zu eindringlich, um sich darin einzuschließen. Drittens gibt es Situationen – in Städten allgemein, oder als Reisender durch Osteuropa – wo sich abschließen hieße, unter Verschluß zu geraten. Unter Menschen ist man nur einsam – wunderbar allein erst ohne Menschenseele.
Henry Miller schrieb, der junge Schriftsteller müsse sich im schmutzigen Strudel der Großstädte bewegen. Wenn ich das Alterswerk Big Sur lese, scheint mir, der alte auch. Kein Mensch hat für sich Substanz genug. Es sei denn der Anachoret in Gott – der sich vor den Mitmenschen nicht zu beweisen hat. Laotse zog sich erst mit siebzig zurück.
Aber Substanz ablagern können, in Ruhe. Und primäre organische Substanz aufnehmen können, in Ruhe. Human vermittelte Substanz ist immer eine im Zeitgeist verdünnte. Und Ruhe: nur der Krach der Menschen quält die Erde. Darum ersannen die sumerischen Götter die Sintflut (und damals gab es noch keine Motoren!) – leider ließen sie einen entkommen, den…