Harry Zellweger
Picassos Modelle
Galerie Beyerler; Basel Juli-Oktober 1986
Jeder Kunsthistoriker hätte die rund einhundert Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen, die zur Zeit in der Galerie Beyeler, Basel zu sehen sind, unter den Titel: »Der Maler und sein Modell« gestellt. Es brauchte das Genie des Basler Galeristen, um diesem Topos der Kunstgeschichte einen neuen, unerwarteten und dem Werk des Spaniers besonders angemessenen Aspekt abzugewinnen: »Der Maler und seine Modelle«. Hunderte, Tausende von Darstellungen gibt es von ihnen – flüchtige Skizzen ins Carnet, ausgeführte Zeichnungen im klassischen Stil, in einem Zug hingeworfene Gemälde oder über Monate hin entwickelte Zyklen; von ihnen, die alle seine Geliebten waren: Fernade, Eva (Ma Joli), Olga, Marie-Thérèse Walter, Dora Maar, Françoise Gilot, schließlich Jacqueline.
Kunst und Leben gingen bei Picasso so eng zusammen, wie bei keinem ändern Maler unserer Zeit – der künstlerisch ganz anders geartete und engagierte Beuys vielleicht ausgenommen. Und mit dem (intensiv gelebten) Leben hat sich auch seine Kunst gewandelt, wenn anders nicht sie es war, die Änderungen im Leben – Wendungen und Neuorientierungen erzwang. Jedes »Modell« gab ihm, wie sich aus den Apocues in der Galerie Beyeler entnehmen läßt, neue Inspiration ein, ließ ihn neue Tiefenschichten der menschlichen Seele, seines eigenen Innern entdecken. Begreiflich deshalb, daß er mit ihnen, den »Modellen«, zusammenleben wollte – mußte; denn Distanz schuf er sich ja erst beim Malen – im schöpferischen Akt.
So faszinierend die Vielfalt seiner Frauengestalten ist, so deutlich kommt in ihnen – über die Jahrzehnte hinweg – unter dem sich wandelnden stilistischen Gewand, immer dieselbe Haltung zum Ausdruck….