München
Phyllida Barlow
frontier
Haus der Kunst 10.03.–25.07.2021
von Martin Blättner
Vor dem „Betreten auf eigene Gefahr“ muss nicht gewarnt werden, obwohl die eine oder andere Installation so aussieht, als ob geschichtete Bretter ins Rutschen kommen, Fassaden kippen, Pfeiler bersten, hängende Gewichte fallen oder Gerüste stürzen könnten. Willkommen auf einer Baustelle Kunst – einem Ort, irgendwo zwischen der apokalyptischen Dystopie der Zerstörung und dem kreativen Aufbruch in das Abenteuer der Kunst. Die Instabilität scheint allgegenwärtig, ist es aber wohl nicht. Alles ist so ausgetüftelt, dass offenbar nichts einstürzt und auch die hängenden Felsbrocken aus ungefährlichem Schaumstoff mit wenig Zement und Sand keine Gefahr sind. Dennoch ist der Betrachter wohl überwältigt vom erhabenen Schrecken. Schon im Eingangsbereich wird er an die Wand gedrückt.
Die Installation „100banners2015“ ermöglicht ihm keinen Blick aus der Distanz. Die farbigen Fahnen, die auf dünnen Holzlatten aufgespannt, mit Farbflecken übersät und mit Sandsäcken am Sockel garniert sind, gaukeln eine agitatorische Begrüßungszeremonie vor, die auf eine falsche Fährte führt. Nur in der Umgehung des hermetischen Blocks erfährt man ihre kraftvolle Masse und Macht. Es folgt eine Bühne mit einer chaotischen Anhäufung von geschichteten Materialien, die von Holz- und Betonpfeilern in die Höhe gehalten werden.
Es gibt fast kein Material, das der britischen Künstlerin Phyllida Barlow nicht geeignet genug erscheint, um es in temporäre Installationen zu errichten: Bauholz, Pappkarton, Betonpoller, Lehm, Kunststoffröhren, bunte Textilien, Schilder, Fahnen – so ziemlich alles, was sie an Alltagsmaterialien entdeckt und zu Landschaften und Skulpturen ohne Limit auftürmt. Ein grenzenloser Gestaltungswille und ein Bestreben, funktionslos gewordene Elemente in einen…