Lothar Romain
Photographie – am Beispiel von Hilla und Bernd Becher
Wer die Geschichte der Photographie von ihren heutigen Ergebnissen her zurückverfolgt, wird auf zwei einander widersprechende, in letzter Konsequenz einander ausschließende Verständnis- und Gebrauchsweisen des Mediums Photographie stoßen: nämlich einerseits eine mit der bildenden Kunst konkurrierende, ästhetisch ambitionierte Photographie und andererseits die Photographie als Dokumentationsmedium. Diese Richtungen sollen hier zwar nicht hinlänglich beschrieben und interpretiert, wohl aber skizziert werden, um den Hintergrund zu entwerfen, vor dem die Arbeiten von Hilla und Bernd Becher gesehen werden können.
Schon im 19. Jahrhundert gibt es eine Anzahl von positiven bis enthusiastischen Erklärungen von Künstlern zur Photographie, doch gemeinhin versagte siel, die Kunst beinahe ängstlich, einen Blick auf dieses andere Medium zu werfen, das ihr eine Reihe von klassischen Aufgaben wie insbesondere die der visuellen Dokumentation und das Portraitieren abnahm. Statt Konfrontation in der Absicht, aus der Abgrenzung die eigenen Möglichkeiten neu beschreiben zu können, betrieb die Kunst Nabelschau. Diese erschien zunächst als Akt explosiver Selbstbefreiung. Alte, durch überkommene Funktionen bestimmte Formen und Darstellungsweisen wurden abgestreift und in malerischen Bravourleistungen neue Seh- und damit Erfahrungsmöglichkeiten demonstriert. Ungewollt zog sich die Kunst damit aber zugleich auch immer mehr zurück in den berühmten Elfenbeinturm, indem sie sich separierte, ihre Eigengesetzlichkeit zum Dogma erhob und per Kunst eine Welt neuer wahrer ‘Geistigkeit’ glaubte schaffen zu können. Von daher gesehen mochten viele Künstler das Medium Photographie lange Zeit nicht als lästigen, ja gefährlichen, sondern höchstens als minderwertigen Konkurrenten betrachten. Photographie hatte die alten Auftragsarbeiten von der Kunst übernommen, damit…