Didier Eribon
Philosophische Überlegungen zur Schwulenfrage
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Didier Eribon, von Beruf Wissenschaftsjournalist, der u.a. Interviewbände mit Georges Dumézil und Claude Lévi-Strauss veröffentlichte, lebt in Paris. Bekannt in Deutschland wurde er durch seine große, bei Suhrkamp erschienene, bisher einzigartige Foucault-Biographie, darin er den wechselnden Masken eines Denkers nachgeht, der Empörung und Bewunderung auslöste, weil er Phänomene wie “Gefängnis”, “Sexualität” und “Macht” in ein anderes Licht tauchte. Dass Eribon bei seinen Recherchen auf Horizonte stieß, über die bis dahin so niemand schrieb, hat mit seinem speziellen Blick als Forscher zu tun, der über eine hohe Sensibilität für den Umgang mit Homosexualität in der französischen Kultur verfügt. Recht schlüssig erbringt er den Nachweis, dass Foucaults theoretische Neugierde, egal worauf sie sich bezieht, eng mit dessen Leben und dem existentiellen Bedürfnis verknüpft ist, eine Geschichte der Homosexualität zu schreiben. Zehn Jahre nach Erscheinen seiner komplexen Biographie, das heißt 1999, publizierte Eribon bei Fayard seine Réflexions sur la question gai (Betrachtungen zur Schwulenfrage). Ein über fünfhundertseitiges Werk, leider bisher nicht ins Deutsche übersetzt, in dem er historisch, literarisch, soziologisch wie philosophisch weit ausholt, um den aktuellen Stand der Situation der Schwulen auch in Bezug auf die Frage zu beleuchten, was denn eine solche Identität überhaupt ausmacht. Er greift ein in den Diskurs über die Definition der Homosexualität, versucht dessen Verirrungen zu analysieren, erinnert an das verschollene Buch Das homosexuelle Verlangen von Guy Hocquenghem, stellt die Frage nach der schwulen Kultur, interessiert sich für die Geschichte der Ideen. Ein Jahr später fügt Eribon seiner…