Renate Puvogel
Philip Lorca diCorcia
Galerie Klemens Gasser und Tanja Grunert, Köln, 8.11.1997 – 28.1.1998
Zwanzig Farbfotografien von belebten Straßen und Plätzen in New York, Los Angeles, Tokio, Hongkong, Odessa, Rom, Neapel, London und Paris – das könnte vermuten lassen, als sei der amerikanische Fotograf Philip-Lorca diCorcia darauf aus, die ethnischen, kulturellen oder architektonischen Eigenheiten dieser neun Metropolen herauszustreichen und einander gegenüberzustellen. Doch diese Momente schwingen bestenfalls mit, denn nur selten gelingt es, die Fotos anhand der Personen, architektonischen Details oder Reklamen zweifelsfrei zu lokalisieren. Motiv ist vielmehr die Betriebsamkeit auf den Straßen, anhand derer der Künstler seinem eigentlichen Anliegen, das Verhältnis von Subjektivität und Objektivität, von Realität und Fiktion im Foto auf seine Weise auszuloten, näher zu kommen hofft.
Die Fotos dieser Serie sind zwischen 1993 und 1996 entstanden.
DiCorcia bedient sich dabei einer eigenwilligen Methode: Er postiert eine Mittelformat-Kamera und mehrere Blitzlichter an ausgesuchten Standorten innerhalb der Straßenzüge und wartet einen Moment ab, in welchem sich die kontinuierlich wechselnde Szenerie zu einer Konstellation kumuliert, welche die zielstrebig eilenden Berufstätigen wie die gemächlich flanierenden Touristen und Arbeitslosen als Protagonisten der Menge dem Fotoauge preisgibt. In der Regel bemerken die ‘Hauptakteure’ weder Kamera noch Blitzlicht, dennoch hebt sie das künstliche Licht, das der Fotograf dem Tageslicht kontrastierend zuschaltet, heraus und umgibt sie mit einem befremdlichen Schein. Extreme, zuwiderlaufende Richtungen des Lichts verfremden die reale Szene gleichsam ins Magische. Den Begriff des Surrealen, der gelegentlich in den Interpretationen genannt wird, ist wohl unangemessen, denn diese Art der Überhöhung tendiert nicht ins Absurde, vielmehr öffnet sie…