Marius Babias
Peter Hujar
daadgalerie, Berlin, 2.12.1995 – 28.1.1996
Was er sich zu Lebzeiten am meisten wünschte – Erfolg und Anerkennung -, schaffte der 1987 an den Folgen von Aids gestorbene Peter Hujar erst posthum. Der Photograph ukrainischer Abstammung war in der New Yorker Szene zwar bekannt und beliebt, doch sein Wirken blieb trotz der Lobeshymnen der heutigen Interpreten eher bescheiden. Ob Jean-Christophe Ammann, der Hujar 1982 in der Basler Kunsthalle erstmals in Europa zeigte, oder Szenephotographin Nan Goldin: die Erinnerungen der Zeitzeugen aus der Kunstwelt machen aus Hujar einen moralischen und ästhetischen Heiligen. Seine engsten Freunde hingegen würdigen mehr die profanen Seiten Hujars. “Wir liebten uns hinter der Kamera, und wir liebten uns vor der Kamera”, erinnert sich John Heys. Und Gary Schneider gibt zum besten, daß Photo-Sessions und geile Sexspiele zusammengehörten: “Deine Kamera auf dem Stativ – die Linse scharf gestellt auf das, was zwischen deinem Mund und einem anonymen Schwanz passiert, oder auf einen Schwanz, der von hinten in dich eindringt.” Hujars Photographie – für die Experten erotische Kunstwerke, für die Freunde Dispositive ausgelebter Sexualität.
Weil die Kunstgeschichtsschreibung gerne auseinanderdividiert, was eigentlich zusammengehört – Leben und Werk -, ist die “Wiederentdeckung” Hujars mit Vorsicht zu genießen, um so mehr, da derzeit ein anderer Verschollener, Paul Thek, zu dem Hujar eine langjährige Beziehung unterhielt, zum Giganten der Installationskunst glorifiziert wird. In beiden Fällen besteht die Gefahr, daß mit Hilfe von Thek und Hujar zeitgenössische Positionen z.B. von Mike Kelley, Damien Hirst, Kiki Smith oder Nan Goldin und Jürgen Baldiga kunsthistorisch erledigt…