Jusif Backstein
Perestrojka ist ein abstraktes Problem
Ein Gespräch mit Angelika Sterken
Sieben Künstler aus dem Moskauer “Club der Avantgardisten” arbeiteten im Herbst vier Wochen lang mit Berliner Kollegen in der Künstler-Werkstatt der Karl-Hofer-Gesellschaft zusammen. Eine erste Bilanz aus dieser gemeinsamen Ateliersituation und ihren Dialogen zeigte die anschließende Ausstellung vor Ort. NCKUNSTBO war ein Künstlerprojekt in Privatinitiative, das ohne Beteiligung von sowjetischen Institutionen realisiert werden konnte. Teilnehmende Künstler: Nikita Alexeev, Sergej Anufriev, Sven Gundlach, Irina Nachova, Nicola Ovtschinnikov, Vadim Sacharov, Sergej Volkov, Desiree Baumeister, Enzo Enzel, Mario Radina, Rets, Lisa Schmilz, Andrea Sunder-Plassmann, Werner Zein.
Der Moskauer Soziologe Jusif Backstein, der eng mit dem ehemals inoffiziellen Kreis der Künstler befreundet ist, schildert im Gespräch die Skepsis und Hoffnungen der jungen russischen Künstler angesichts der “russian fashion” im Westen und Perestrojka im Osten.
J.B.: Ich arbeite seit 1974 an einem Institut, das das soziale Leben in den Städten untersuchen soll. Meine Aufgabe ist es, den Sinn der kulturellen Prozesse zu verstehen, etwa das Funktionieren offizieller kultureller Einrichtungen wie Museen, Büchereien, Clubs, Ausstellungshäuser.
A.S: Hattest Du vor der Perestrojka dasselbe Arbeitsgebiet?
Offiziell arbeite ich auch als Soziologe. Aber die Rolle, die die Soziologie damals spielte, war weniger wichtig. Jetzt aber fallen zwei kulturelle Ebenen zusammen, das Funktionieren der offiziellen Kultur und das der neuen informellen Organisationen. Da gibt es neue Kontaktfelder, und ich untersuche beispielsweise die Beziehungen zwischen Ausstellungshäusern und einer Organisation wie unserem “Club der Avantgardisten”.
Was verstehst Du unter “informeller Organisation”?
Das ist einer unserer speziellen Begriffe. Früher gab es in der Sowjetunion zwei Arten von Kultur: die…