Christian Huther
Per speculum me video
Kunstverein Frankfurt/Main, 31.10.2013 – 5.1.2014
Eine Frau küsst ihr Spiegelbild wieder und wieder, dann blickt sie erst kritisch, danach traurig und schließlich voller Abscheu auf sich selbst. Alle Emotionen von schwülstiger Selbstliebe bis zum blanken Selbsthass werden durchgespielt in dem rund vierminütigen Videoloop. Aber wer sieht hier wen? Und ist das ein Versuch der Selbstwahrnehmung? Oder inszeniert die in Offenbach und Frankfurt lebende Künstlerin Eva Weingärtner bereits die Fremdwahrnehmung für den Betrachter?
Fragen über Fragen, die sich erst nach dem Rundgang durch die neue Ausstellung des Frankfurter Kunstvereins nach und nach auflösen. „Per speculum me video“ heißt die von zehn jungen Künstlerinnen und Künstlern mit Videos und Fotos bespielte Schau, also „Im Video sehe ich mich“ oder, in Weingärtners Fall, „Im Spiegel sehe ich mich“. Eva Weingärtner arbeitet mit einfachsten Mitteln. Sie hält einen Spiegel eng an ihr Gesicht und führt mit ihm eine intensive Zwiesprache, während die Videokamera läuft.
Das Selbstporträt ist im Zeitalter von Handykamera, Skype & Facebook ständig verfügbar. Dennoch ist das Interesse am Selbstbildnis auch bei jungen Künstlern ungebrochen – „erstaunlicherweise“, gesteht Kunstvereins-Chef Holger Kube Ventura. Zugleich verweist er darauf, dass heute der Blick nicht mehr so stark auf den Körper gerichtet ist, sondern eher mit bestimmten Rollen und Personen gespielt wird. Diese These löst Kube Ventura in der Schau auf sehr nachdrückliche Weise ein. Dabei geht es keineswegs nur um individuelle Positionsbestimmungen der Künstler. Die Schau greift viel weiter aus und kreist um Selbst- und Fremdwahrnehmung, Ich-Entwicklung und Identität, um den…