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Titel: Kunst und Wissenschaft · S. 177 - 181
Titel: Kunst und Wissenschaft , 1986

Wolfgang Welsch

Pavillon Frankreich:
Daniel Buren

Da steht ein Pavillon in Venedig. Und da kommt ein Künstler, macht fast gar nichts – bringt nur ein paar Streifen an – und der Pavillon existiert nicht mehr.

Der Pavillon ist der französische Ausstellungspavillon der Biennale. Der Künstler heißt Daniel Buren. Die Zauberei dauert vom 29. Juni bis 28. September 1986. Man geht auf den Pavillon zu und ist überrascht, statt eines Repräsentationsgebäudes ein Gartenhaus vor sich zu sehen: weiße Latten, zwischen denen man auf einen Park mit schönen Bäumen durchblickt. – Durchzublicken meint. Bis man, näher gekommen, bemerkt, daß die Durchblicke in Wahrheit Spiegelbilder sind, daß man zwischen den weißen Latten gar nicht hindurchschaut, sondern daß sich dort Spiegelstreifen befinden, in denen sich die umgebenden Giardini spiegeln. Die Mauer ist alternierend mit Spiegelstreifen und weißen Streifen bestückt. Das ist die erste Irritation: Was Durchblick schien, ist Widerschein. Und die Mauer, die man inexistent und durch ein Gartenhaus ersetzt glaubte, ist in Wahrheit doppelt belegt und nirgends so massiv wie hier. – Im Schlußraum wird einen die umgekehrte Irritation erwarten.

Dazwischen findet sich zunächst ein wirkliches Minimum an Aktion. Im linken Seitenraum sind alle Wände unverändert. Der Künstler hat nur die Sockelleiste mit blauen Streifen versehen (und dieses Muster dann folgerichtig auch am Türrahmen hochgezogen und oben querlaufen lassen). Die Dekoration (wenn man Burens Arbeit so bezeichnen will) setzt beim vorgegebenen dekorativen Moment des Raumes an und geht über dieses noch nicht hinaus.

Im rechten Seitenraum hingegen hat das System bereits die ganze Wand erobert. Alle Wände sind…

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