Gerhard Johann Lischka
Paul Virilio
G.J.L.: Sie sind der Erfinder einer neuen Wissenschaft, so kann man sagen, der Erfinder der Dromologie. Wann haben Sie diesen Begriff geschaffen?
P.V.: Ende der 70er Jahre, als ich meine Arbeit über den militärischen Raum und den Krieg beendet hatte, ist das Wort Dromologie in mir aufgetaucht, um eine neue Intelligenz des Krieges zu bezeichnen, nachdem ich 20 Jahre über das Militär gearbeitet hatte. Dabei hatte ich herausgefunden, daß der Krieger von den alten Griechen bis zur Wehrmacht mit der Geschwindigkeit zusammenhing; die Geschwindigkeit war sozusagen die Konstante. Und die Geschwindigkeit hing wiederum mit ihrem Äquivalent, dem Reichtum, zusammen und mit der Geschichte der Macht. Mein Buch von 1977 “Geschwindigkeit und Politik” war so etwas wie das Manifest der Dromologie, dieser Logik der Geschwindigkeit. Und schließlich ist für mich die Geschwindigkeit der Schlüssel zur Analyse der Gegenwart geworden, sowohl mit Blick auf das Militär als auch auf die Zivilbevölkerung. Beim Militär kann man natürlich die klarsten Zeichen für die Dromokratie erkennen, d.h. für die Hierarchie der Geschwindigkeit. Als Beispiel kann man die Trierarchie bei den Athenern nennen, ihre politische Ordnung: Sie beruht auf einer Pyramide, an deren Spitze der Trierarch steht; das sind diejenigen, die eine Triere bilden können, die effizienteste Kampfformation der Zeit. Zu ihr gehören die Reiter, die Bürger, die sich mit Lanzen bewehren konnten, und schließlich die freien Menschen und die Sklaven, die die Ruderknechte der Triere, der Trierarche, waren. Das ist eine dromokratische Struktur, die man bis heute durch die ganze Geschichte…