Ronald Berg
Paul Pfeiffer
»The Saints«
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, 10.10.2009 – 28.3.2010
Gesang ertönt im Hamburger Bahnhof. Gesang? Man könnte es auch Raunen, Brüllen und Skandieren nennen. Der Ton klingt vertraut, auch wenn die Quelle beim Eintritt in die für Paul Pfeiffer bestimmten Räume vorerst unsichtbar bleibt. Was sichtbar wird, ist ein Stadion. Das passt zur permanent hörbaren Klangkulisse, die einem Fußballmatch entstammen muss. Das Stadion aber ist nur ein hölzernes, etwas übermannshohes Modell und auch keineswegs vollständig. Es handelt sich nur um das Viertelstück einer Stadionschüssel, dessen Schnittkanten von Glaswänden begrenzt werden. Die rudimentäre Konstruktion, bei der auf der Außenseite nur einige notwendigen Stützen stehen, wandelt sich auf wunderbare Weise, wenn man – mit Hilfe einer kleinen Leiter – den Blick über den Rand der Schüssel wagt. Aus dieser Perspektive wirken die Glaswände als Spiegel und vervollkommnen den Augeneindruck zum Stadionoval.
Pfeiffer nennt seine Installation „Vitruvian Figure“. Die Konstruktion funktioniert nämlich nach dem bekannten Schema mit dem Mann im Mittelpunkt von Kreis und Quadrat, dessen bekannteste Darstellung wohl von Leonardo da Vinci stammt, ursprünglich aber auf die Proportionslehre des antiken Architekten Vitruv zurückgeht. Der Mensch sei das Maß aller Dinge, meinte Vitruv, insofern als sein Körpermaß und seine symmetrische Gestalt als Vorbild für die Konstruktion auch von Bauwerken dienen sollte.
Die Halbspiegelwände des Stadionmodells schaffen Symmetrie und Ganzheit in der Binnenperspektive, verraten aber zugleich aus der Außenansicht das bloß Virtuelle daran. Dies sind Hinweise auf die Lesart des namensgebende Hauptwerks der Ausstellung im nächsten Raum: „The Saints“ verblüfft zunächst…