RAINER UNRUH
Paul Klee 1933. Der Gegenpfeil
Hamburger Kunsthalle, 11.12.2003 – 7.3.2004
Das Dokument der Schande ist schon vergilbt, aber die handschriftliche Notiz auf dem Telegrammformular der Deutschen Reichspost ist noch gut zu lesen: “kultusministerium reichskommissar beauftragt mich soeben sie mit sofortiger wirkung zu beurlauben”. In diesen dürren Worten teilte der Kommissarische Direktor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf dem dort angestellten Professor Paul Klee am 21.4.1933 dessen Entlassung mit. Für den als “entartet” geltenden Künstler war im NS-Deutschland kein Platz mehr.
Klee reagierte mit einer Explosion künstlerischen Kreativität. 1933 entstanden 482 Werke, davon 314 Zeichnungen. Ein Teil dieser Bleistift- und Fettkreidezeichnungen setzt sich mit der “nationalsozialistischen Revolution” auseinander. Die Hamburger Kunsthalle zeigt rund 80 Blätter aus diesem Bilderzyklus, ergänzt durch einige farbige Arbeiten sowie geschickt ausgewählte Briefe und andere Dokumente, die deutlich machen, wie radikal das Jahr 1933 Klees Existenz als Mensch und Künstler veränderte.
Im Unterschied zu einem politisch engagierten Künstler wie John Heartfield, der in seinen Collagen die Embleme der NS-Bewegung zitiert und sie durch Montagen entlarvt, kommt Klees Kritik am Faschismus indirekter und chiffrierter daher. Man sieht auf seinen Zeichnungen keine Hakenkreuze und SS-Runen. Was man sieht, sind Figuren ohne feste Konturen, halb verwischt, halb verweht, mit Schraffuren, die an Haarknäuel erinnern und zum weichen, diffusen Eindruck beitragen. Manche dieser Bleistiftzeichnungen signalisieren schon vom Titel her, dass sie Leitbilder der NS-Ideologie parodieren. Dazu zählen Blätter wie “Erneuerung der Manszucht” und “wen die Soldaten degenerieren”. Andere Arbeiten thematisieren Furcht und Terror, Mord und Tod in archaisch anmutenden Konstellationen und einer auf das Nötigste…