Sigrid Feeser
Patrick Raynaud
»Sic transit gloria mundi«
Mannheimer Kunstverein, 7.3. – 11.4.1993
Wir amüsieren uns zu Tode, wir reisen uns um Kopf und Kragen. Seßhaft zu sein, was für ein Verbrechen! Beweglichkeit, massenhaft und unbegrenzt, ist der Wahn unserer Zeit. Daß es so nicht weitergehen kann, dämmert inzwischen selbst den Hütern des Privilegs. Schon denken Juristen über die Möglichkeit von Mobilitätsstrafen nach. Und die Vergeblichkeitsappelle häufen sich.
Der Franzose Patrick Raynaud, 1946 in Paris geboren, gilt als Virtuose des Transportwesens. Mit Kisten, in die er Großdias berühmter Gemälde der Kunstgeschichte gesteckt hatte, wurde er bekannt. Als Simulanten und Stellvertreter der Originale bereisten sie Messen, Museen und Galerien, perfekt gestylte Kulissen, die einerseits die ungebremste Mobilität des Kunst- (reise)betriebs ironisierten, andererseits selber ganz ungeniert daran teilnahmen.
Dem freien Transfer der Sachen folgte nun in einem weiteren Schritt die “Entdeckung” der Mobilität des Transits zwischen Leben und Tod, Sein und Nichtsein. Zum Beispiel der “Gisant”. Er liegt. Was sollte er auch anderes tun: liegen, träumen, schlafen. Ein junger Mann, Augen geschlossen, nackt und schön im Schneewittchen-sarg. Von oben blicken wir nach unten auf ein perfekt ausgeleuchtetes Cibachromfoto in Lebensgröße.
Der Schrein ist eine gläserne Transportkiste, und unterm weißen Laken lauert doppelbödig eine Unterwelt aus grell leuchtenden Neonschlangen und wirrem Kabelgestrüpp. Versucht man, das aufzudröseln, ergeben sich in etwa Kopf und Rumpf, Arm und Schienbein. Unser Abbild ruht auf (s)einem dekonstruierten beinernen Bett. Ein säkularisierter Heiliger in seinem Schrein? Oder ein Zeitgenosse in Erwartung von Auferstehung und Jüngstem Gericht?
“Sic transit gloria mundi” inszeniert die Anwesenheit der Abwesenheit…