Johannes Meinhardt
Pastell 89
Galerie Rainer Wehr, 29.11.1989 – 3.2.1990
Die Gründe, Pastellkreiden einzusetzen, waren zumindest in der Moderne meist sehr präzise, nutzten die starke Farbigkeit des Pastells für spezifische Zwecke. Diese Farbigkeit wird geprägt durch ein ungebrochenes, intensives Leuchten des Pigments, das weniger als in jeder anderen Bindung oder Lösung durch das Bindemittel abgestumpft oder modifiziert wird. Von Odilon Redon bis zu Francesco Clemente zeichnet sich bewußter Einsatz von Pastell durch ein vieldeutiges Spiel mit der “immateriellen” Leuchtkraft, der intensiven, “naiv” bunten Farbigkeit und der extrem empfindlichen, trocken staubigen Materialität der aufgeriebenen Farbe, der “unberührbaren” Oberfläche aus.
Vieldeutige Implikationen von Unschuld, Gefährdung, Fragilität, Immaterialität und Geistigkeit hängen an dieser Technik, die Farbe am stärksten als reine körperlose Essenz, als zum Staub verdichtetes Leuchten wiedergibt: Farbe als Intensität des Lichts – die Essenz der prismatischen Zerlegung des Lichts selbst. Pastell schafft eine immaterielle Räumlichkeit der Farbe: Als helles Leuchten wird sie Ausstrahlung, Strahlung in den sichtbaren Raum, Intensität des raumschaffenden Lichts; als dunkles Leuchten wird sie Sog der Tiefe, Strahlung in einen unsichtbaren Raum des Innen oder der Imagination, Intensität der unausschöpflich tiefen Dunkelheit.
Die kleinen Pastelle, die Francesco Clemente 1979 in Indien gemalt hat, formulieren einen technischen und reflexiven Stand des raffinierten, pseudonaiven und zugleich lustvollen Gebrauchs der Pastellfarbigkeit, der nicht leicht zu überschreiten ist.
Von den 16 Künstlern der Ausstellung in der Galerie Wehr lassen sich nur wenige weitergehend auf die Vieldeutigkeit dieses Materials ein. Bei den meisten der 16 Künstler wird Pastell wie irgendeine andere Farbe eingesetzt (Jörg Eberhard, Romane Holderried-Käsdorf, Vera…